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Ein österreichischer Renaissancemensch'

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Was das ist, ein Österreicher, läßt sich schwer beschreiben. Da gibt es viele Deutungen, doch alle unvollständig. Aber an einem Beispiel, an einem Leben läßt es sich unschwer ablesen. Der ein solches Beispiel gab, ein solches Leben führte, nicht allein, nicht als einziger, aber als ein im besten Wortsinne Hervorragender, ist nicht mehr: Präsident Dr. Peter Reininghaus verstarb am Montag, den 22. Jänner, 11 jährig, in Graz.

Er war keiner von denen, die nahe der Rampe posierten und doch auch ganz gewiß keine „graue Eminenz“. Für solch Rollen war er nicht geschaffen. Worauf er verzichtete, war jenes öffentliche Auftreten, jenes stete Dabeisein, dessen Begleiterscheinung permanente Atem- und Zeitnot ist. Und für die vielen Dinge, die er machte, immer selbst machte, benötigte er sehr viel Zeit.

Seine wirtschaftliche Position (Vorstandsvorsitzender der Brüder Reininghaus AG, Präsident des Aufsichtsrates der Brauerei AG Leoben-Göss, Geschäftsführer der Brüder Reininghaus Ges.m.b.H. und Vorsitzer des Aufsichtsrates des Gleichenberg-Johannisbrunnen Aktienvereines, um nur die „persönlichsten“ zu nennen) sah er immer als ein ihm übertragenes Amt an, zu dessen Erfüllung er seine ganze Person einzusetzen hatte, freudig 'im Erfolg wie mutig im Risiko, das er nie anderen zuteilte. Wo er als Ratgeber oder Funktionär wirkte, geschah es insoferne auf „unbequeme Weise“, wie halt einer „unbequem“ ist, der nicht allzu viele, aber unheimlich feste,, persönliche Grundsätze hat und diesen auch unbeirrt folgt. Strenge und. Güte paarten sich darin zu einer eigenartigen, faszinierenden Mischung, deren Wirkung sich niemand entziehen konnte.

Politisch stand er stets „im Lager Österreichs“. Unbeirrt durch alle Wirren und auch hier das persönliche Risiko nie scheuend. Mit jener tinendlich großen Portion ..Männerstolzes vor Fürstenthronen“ — man sagt jetzt dazu „Zivilcourage“ — die ihn auch da und dann reden ließ, wo andere längst schwiegen. So besehen war er kein „Diplomat“ — aber ein starker Repräsentant jener Unbeirrbarkeit, die auch ein Teil österreichischen Wesens ist.

War er ein „Konservativer“? Dazu war er zu aufgeschlossen für Neues. War er ein Liberaler? Wenn man darunter einen alles relativierenden Pluralisten versteht, war er das nicht. Progressiv war er natürlich auch nicht, schon seine Abneigung gegen Euphorie, Utopismus und eine schier abendländisch durchwachsenen Furcht vor jedem ungezähmten Optimismus hätten ihn daran gehindert. Doch von allem war auch wieder etwas an ihm, zumeist dann, wenn man es gerade nicht erwartet hatte.

Seine universelle Bildung des Geistes und der Seele, seine in der Stille waltende, beinahe unglaubliche musische Spannweite — auch darin auf festen Grundsätzen gegründet, was kein Widerspruch sein muß und bei ihm auch keiner war — und sein unbändiger Glauben, seine nie versiegende Hoffnung auf alles „österreichische“, wo immer er es entdeckte, hervorholte, förderte, bildeten eine seltene Erscheinung aus, eine Art „österreichischen Renaissancemenschen“, wobei die Betonung und damit auch Begrenzung auf „österreichisch“ liegt. Einst sagte man: ein Herr!

Er liebte den Süden, den Adria-Raum, Italien, ganz besonders Venedig. Gleich nach dem Kriege, dem zweiten, der auch seine Umwelt noch einmal gänzlich veränderte, versuchte er alles ihm Mögliche, um — via Freistaat Triest, den es damals gab — eine intime Verbindung und Bindung zwischen Österreich und der Adria zu schaffen, nicht gegen Italien, nicht gegen Jugoslawien, sondern mit ihnen. Das Werk, das so erfolgversprechend begann, scheiterte alsbald. Nicht zuletzt am Unverständnis wichtiger Zeitgenossen in der Heimat und jenseits der Grenze. Ein später und eher bekümmernder Trost blieb ihm: seit es still um diese Pläne wurde, loird oft beklagt, daß sie nicht doch gediehen sind. Als Vorsitzender der österreichisch-triestinischen Handelskammer blieb er bis zu seinem Tode auf diesem selbstgewählten Posten. Von allen anerkannt, die je mit dieser Materie zu tun hatten, was auch nicht gerade häufig ist. Er schwor darauf, daß ihn „das Österreichische“ seines Wesens dazu besonders befähigt hat.

Man sagt, er habe „nachhaltigen Einfluß auf das wirtschaftliche Geschehen“ nicht nur in der Steiermark, in dieser aber ganz besonders, genommen. Das hat er sicher und auch dabei hat er es sich niemals leicht gemacht. Auch anderen nicht. Aber was wäre ein Mann, der es sich und allen anderen immer „leicht“ machen würde? Nicht minder nachhaltig war auch sein politischer Einfluß. Doch auch da nicht als „graue Eminenz“, als unverantwortlicher Flüstermann, als schlauer Opportunist. Was ihn beseelte, war im besten Sinne „staatsbürgerliche Tugend“, wem immer er damit und mit der unerschrocken gebrauchten Gabe des oft eigenwilligen Wortes auch in die Quere kam.. Er hat eingewirkt, nicht mitgemacht oder mitgemischt. Die Legitimation holte er sich aus seinem österreichischen Gewissen, aus einem Kreise von Freunden, Persönlichkeiten und Ratgebern, der so gar nichts „Parteipolitisches“ und soviel „Staatspolitisches“ an sich hatte. Die Parteien, die Demokratie, das waren die festen und notwendigen Bestandteile der Umwelt, auch dann, wenn er sich mit einigen davon nicht identifizierte und mit manchem Parteimann auch nicht vertrug. Aber diesen Rahmen zu füllen, das war für ihn eine Gewissensfrage, die nicht durch Mitgliedschaften bestimmt wurde, sondern durch Grundsätze, deren er gewiß war und durch Wissen, was ja auch im Worte liegt.

Seine Persönlichkeit zu beschreiben bleibt Stückwerk. Die Wirkungen, die von ihm ausgingen, die kurzfristigen, zeitnahen und die langfristigen, noch gar nicht recht zum Vorschein gekommenen, wird man daran ablesen können, wie er seinem Umkreis, seinen Freunden — und sogar seinen Gegnern nach und nach fehlen wird. Am Nichtmehrvorhandensein dieses in aller Größe schließlich so bescheidenen Mannes wird sich schmerzlich ablesen lassen, wer da dem Lande und Österreich verloren ging. Man hat die Fahne, welche die Farben eines größeren, eines geistigen österreichertums trägt, an seinem Grabe tief zu senken.

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