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Krieg der Chips

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Große Aufregung in der großen Pause! Im virtuellen Pausen- hof der Very-high-integrated-Com- puterschule kochte es. Der Krieg der Chips schien nicht mehr aufzu- halten.

Auf der einen Seite hatten sich die wütenden Personal Computer versammelt. Sie steckten die Bild- schirme zusammen, klapperten mit ihren Tastaturen und versuchten verzweifelt, sich zu vernetzen, um für den großen Kampf gerüstet zu sein. Sie waren aber auch zu schlimm beleidigt, ja gedemütigt worden. Das wollten, nein, das konnten sie nicht auf sich sitzen lassen!

Die Verursacher der Empörung flanierten lässig, ja cool über die Sonnenseite des Platzes, den Ober- körper stolz geschwellt von mehre- ren Megabits.

Im Vorbeiflanieren unixten sie einander zu: „Lasset doch die Klei- nen nur zu uns kommen, und wir werden ihnen zeigen, wo der Wat- son seinen Strom her holt!" Die so apostrophierten gerieten in Panik. Es wollte ihnen nicht gelingen, eine gemeinsame Strategie zu entwik- keln. Sie hatten sich allerlei Stek- ker und Drähte besorgt, um sich zu einer Schlachtreihe zu verbinden, aber so sehr sie auch kabelten und stöpselten, die Verbindung funk- tionierte nicht. Da kamen sie auf die Idee, ihre Disketten, die sie sich erst mühsam im letzten Unterricht bespielen hatten lassen, auszutau- schen. Das führte natürlich zum totalen Chaos. Die Disketten aus der AT-Oberstuf e erwiesen sich bei den XT-Grundschülern als unver- ständlich, und die Programme, die die Kleinen den Größeren anboten, lösten bei diesen nur ein müdes Lächeln aus. Das hatten sie doch alles schon längst auf ihren Fest- platten fest drauf.

Dennoch, auch für Computer gilt, daß, wo eine Wut ist, auch ein Wille zu sein hat. Und der Wille, die arro- ganten Supermikros aus der Kol- legstufe zu bestrafen, wurde immer stärker. Die statische Aufladung stieg und stieg, Donner und Blitz lagen spürbar in der Luft! Dabei hatte alles recht harmlos mit klei- nen Neckereien begonnen.

„Na", flachsten die Supermikros locker, „habt ihr in der letzten Stunde schon euer selbststartendes Betriebssystem beigebracht bekom- men oder müßt ihr euch etwa im- mer noch einschalten lassen?" Und „Ihr seht alle etwas blaß aus. Ihr solltet es vielleicht einmal mit einer Farbkarte versuchen!"

Was sollten da die kleinen Perso- nal Computer erwidern? Natürlich liefen sie nicht so vollgestopft mit Programmen herum wie die arro- ganten Supers! Aber dafür waren sie leicht und locker und vor allem selbständig. So konterten sie: „Ihr könnt ja nicht einmal selber den- ken. Ihr braucht doch einen Ober- computer, der euch jedesmal sagt, wenn ihr dran seid!"

Das saß, aber nicht sehr: „Und ihr, was könnt ihr? Wild durchein- ander rechnen, bis keiner mehr Bescheid weiß. Und außerdem seid ihr doch so langsam, daß der Cursor

auf dem Bildschirm einschläft, wenn ihr einmal eine Wurzel ziehen müßt!"

„Und ihr", bellten die Kleinen zurück, „seid doch nichts anderes als Spielzeugausgaben der richti- gen Computer, nichts Ganzes und nichts Halbes!" Das freilich wurm- te die Supermikros, denn der Vor- wurf traf ja in der Tat zu. So holten sie zum entscheidenden, wenn auch nicht ganz fairen Hieb aus und schlugen zu: „Und ihr, ihr seid doch nichts anderes als aufgeblasene" - und dann kam das Wort, das ein rechter Computer haßt, wie der Informatiker das Chaos, „- Heim- computer!"

Jetzt war es heraus - und vorbei.

Diese Beleidigung konnte man nicht auf sich sitzen lassen. Hier blieb nur der Weg der Rache: der Hoch- mut mußte gebrochen werden, ko- ste es was es wolle.Und weil den Personal Computern nichts ande- res einfiel, taten sie das, was sie bei ihrem letzten Besuch in einem Androtop gesehen hatten, dort, wo man sich aus pädagogischen Grün- den einige Exemplare des anson- sten längst ausgestorbenen Wesens mittlerer Intelligenz* den Homo technico-informaticus, hielt.

Sie stellten sich in einer parla- mentarischen Ordnung auf und wollten die Supermikros einfach niederkommunizieren. Diese frei- lich schlössen sich flugs zu einem Muster-Ring zusammen und trotz- ten - feixend - allen Angriffsversu- chen. Das hätte noch Stunden so gehen können, aber schließlich war die Pause zu Ende, und der allge- waltige Gesamtschulcomputer, von den Computerschülern ehrfurchts- voll Cray Mainframe genannt, er- setzte die virtuelle Pausensituation durch die Simulation weiterer Pro- grammierstunden.

Das alles ging natürlich im Chip- umdrehen und ohne jeden Break- down, woraus der geneigte Leser erkennen kann, daß es sich bei den Beteiligten nur um Systeme höhe- rer Intelligenz und keineswegs um menschliche Wesen gehandelt ha- ben kann.

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