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Die Saunastopper

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Wie jeden Freitagabend hatte sich Prokurist Werner 0. zur Heimsauna fertiggemacht. Er wollte nichts als Ruhe. Die hatte er sich wohl verdient, und aus dieser wurde er durch das elektronische Glockenspiel an der Eingangstüre gerissen.

„Nanu?“ zweifelt er an seinem Zeitplan für Freitagabende, ging mehr automatisch als überzeugt auf die Eingangstüre zu, öffnete sie: „Ja, bi-“. Zum ,,-te“ reichte es nicht mehr, denn seine Sprache hatte sich ihm verschlagen.

Vor sich sah er - oder meinte er bloß zu sehen? — die Dame vom Titelblatt des bekannten Herrenmagazins, das von Iris nicht geduldet wurde und das er daher fügsam stets beim Friseur studieren mußte.

„Hallo, Werner“, sang sie mit einem für Dritte durchaus merkbaren Blick auf das Türschild, „Du bist doch sicher grade auf dem Weg in die Sauna. Freitagabend, in so einem Haus, in dieser Gegend.“ Sie wogte ein wenig und schürzte Unterlippe und Trenchcoat.

„Ja, natürlich. Aber wissen Sie...“ fragte Werner O. unsicher.

Die Titelblattdame reagierte rasch und ungerührt: „Wenn Ihr ohnedies schon die Sauna angeworfen habt, dann habt Ihr doch sicher nichts dagegen, wenn -“.

„Ja, eigentlich -“.

Routiniert setzte die Sauna-stopperin nach: „Sauna ist schließlich nicht nur für die Gesundheit da, sondern auch für die Gesellschaft. Wer mit anderen saunt, tut mehr für sich. Und überhaupt“, sie setzte zum entscheidenden Schlag aus, „wer wird heute noch so spießbürgerlich sein?“

„Also bitte, warum eigentlich nicht.“

Die Saunastopperin wandte sich zur Tür: „Herbert, wir haben Glück, hier ist man aufgeschlossen. Komm' mit den Saunasachen.“

Und aus der Vorgartenkulisse, zwischen Oleander und Zierpfir-schichen, trat ein braungebrannter Mittdreißiger auf, in den starken Armen zwei Saunasäcke, die auf umfassende und perfekte Innenausstattung schließen ließen.

„Werner, das ist Herbert. Herbert, das ist Werner, unser Saunagastgeber. Kommt, laßt uns keine Zeit verlieren, die Sauna ist sicherlich schon heiß genug.“

Werner blieb keine Zeit, Beherrschung oder Verstand zu verlieren.

Iris und Werner benutzten ihre

Sauna üblicherweise ausschließlich zur Wiederherstellung beruflicher wie privater Spannkraft; sie waren schweigende Saunaabende gewohnt. Doch Kuni, so hatte sich die Saunastopperin schließlich vorgestellt, kannte keine Gnade. Sie erzählte einigermaßen unbekannte Anekdoten und milde Zoten, berichtete über Krankheiten aller Art und deren Vorbeugung durch regelmäßigen Saunabesuch, referierte über Mode, die schon heute in den städtischen Boutiquen und Filme, die demnächst in den örtlichen Kinos zu besichtigen wären, und fügte ein einladendes „das schönste an der Sauna ist, daß man sich menschlich so nahe kommen kann“ hinzu.

„Würde es Euch stören, wenn Herbert einen Aufguß macht? Herbert haßte Aufgüsse, aber sein Widerstand war gebrochen. Herbert schüttete zwei volle Eimer über den Ofen, so daß Werners Augen periskopgleich aus den Höhlen fuhren. „Wedeln, wedeln!“ kreischte Kuni.

Sollte die Tortur nie zu Ende gehen? Sie ging, sie ging. So gegen elf. Man hatte zu Kunis Erzählungen ein wenig geruht und auf ihren Vorschlag hin Säfte getrunken, dann einige Seidel Bier, einige Kelche Sekt.

Iris hatte - „Ein kleines Häppchen nach der Sauna kann nicht schaden!“ hatte Kuni gemeint -noch schnell einige Dutzend Brötchen belegt. Dann lag man vor dem Fernsehen. Der Spätkrimi hatte begonnen.

Die O.'s hatten sich mit einem langen Aufenthalt der Saunastopper abgefunden, da mahnte Kuni plötzlich zum Aufbruch: „Seid nicht bös', wenn wir jetzt gehen, aber wir haben gehört, daß es bei Steinzieglers in Biegenhau-sen heute noch eine Mittemachtsparty gibt. Wir sind zwar nicht eingeladen, aber da sie ohnedies schon eine Bowle mit Champagner angesetzt haben, werden die sicher nichts dagegen haben. Oder?“

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