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Serienhelden

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Jetzt haben wir sie endlich: die Nonne als Serienheldin im Fa- milienleben. Die neue Mutter der deutschen Nation, legitime Nach- folgerin von Inge Meysel, die sich aufs großmütterliche Altenteil zu- rückziehen durfte, hat den Schleier genommen. Natürlich nur auf der Mattscheibe. Dort sorgt sie nun nach allen Regeln des deut- schen Massengeschmacks für das, was Mann und Frau bewegt - oder bewegen sollte. Wenn schon zu sonst nichts, dann zum Einschalten des Programmes. Und zwar mindestens so lange, bis die Telefahnder die Einschaltquote festgestellt und festgehalten haben.

Thekla Carola Wied mit strah- lenden Augen und dezentem schwe- sterlichen Outfit macht ihre Sache gut. Die Schwestern im wirklichen Leben müßten ebenso zufrieden sein wie ihre TV-Oberin, immerhin Hilde Krahl. So gute und preiswer- te Öffentlichkeitsarbeit für die re- ligiöse Sache wie die Familienserie im Fernsehen schafft kein Kirchen- funk der Welt und selbst höchste geistliche Würdenträger nur ganz selten.

Und weil das die Öffentlichkeits- arbeiter in der Zwischenzeit ge- merkt haben, stellen sie sich - na- türlich streng geheim, damit es die Konkurrenz ja nicht mitbekommt - die Frage, wie wird man eigentlich Serienheld? Das heißt, wie bringt man die Produzenten und Abtei- lungsleiter, die Regisseure und die Autoren dazu, einen bestimmten Berufsstand publicityträchtig ins Bild zu setzen - und zwar möglichst „positiv"?!

Wenn man die Serie der Serien- helden der vergangenen Jahre Re- vue passieren läßt, dann wird kein rechtes System deutlich. Alles be- gann mit den Detektiven und ihren Derivaten: Zollfahndern und Rechtsanwälten, Versicherungs- agenten und Rauschgiftschnüfflern, öffentlichen Anklägern und Bewäh- rungshelfern. Dann folgte der Rei- gen der feinen akademischen Beru- fe von Ärzten, möglichst Professo- ren, über die Richter bis zu den geistlichen Hochschulabsolventen der unterschiedlichen Fakultäten.

Interessanterweise fehlen in der Reihe der seriellen Helden weitge- hend Wirtschaftskapitäne, Ingeni- eure und Pädagogen. Die Wirt- schaft, so wissen es Meinungsex- perten, interessiert die Massen nur, wenn sie nicht funktioniert, die Ingenieure tun Dinge, die kaum jemand versteht, und die Damen und Herren Pädagogen... na, ja, die kennen Mann und Frau ja aus den Schulen zur genüge. Solchermaßen scheinen diese drei Berufsgruppen auf dem Serienbildschirm als ent- behrlich.

In Österreich stellt sich das Pro- blem ohnedies nur teilweise. In internationalen Serien stellen wir gerne Hoteliers und Wirtinnen, wohl auch Kellner und Dirigenten. Und in den eigenen „Serien"? Da halten wir uns lieber an die hausei- genen Intendanten. Die sind auch keine schlechteren Plauderer oder Cafetiers als eingeflogene TV-Stars, sind überdies örtlich verfügbar, sorgen für gute Sendeplätze der Serie und bekommen kein - zusätz- liches - Honorar.

Hoffentlich.

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