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QUERS CHNITTE

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Der trotzende Speaker

Der deutsche Filmschauspieler Werner Fuetterer hat bei den Filmfestspielen in Locarno gebockt, ja richtig gebockt, weil der österreichische Regisseur des deutschen Films „Frau von heute“, Franz Antel, bei der üblichen Starparade als Sprecher fungierte. Ein österreichischer Regisseur könne nicht für den deutschen Film sprechen, meinte Herr Fuetterer, und blieb, als aller Eifer nichts fruchtete, der Parade fern.

Das war nicht sehr taktvoll, mag aber im allgemeinen Herrn Fuetterers persönliche Sache sein. Leider ist sie das nicht im besonderen Falle. Herr Fuetterer ist nämlich so nebenbei auch Präsident der „Dacho“ und wacht in dieser Eigenschaft über den „Einsatz“ der deutschen Filmschaffenden. Seine Vorgängerin im Amte, Frau Luise Ullrich, hat schon einmal diese Position zu einer unfairen Kampagne gegen ihre Landsleute O. W. Fischer, Hannerl Matz u. a. mißbraucht. Davon war schon seinerzeit an dieser Stelle die Rede. Hat Herr Fuetterer ähnliches vor?

Das Schöne an diesem unschönen Vorfall ist das Echo der deutschen Presse. So schreibt die „Münchner Abendzeitung":

„Das alte Geschrei, die deutschen Schauspieler und Regisseure werden benachteiligt, weil zu viele .Ausländer' im deutschen Film Verwendung finden, wird langsam langweilig. Natürlich bleibt Maria Schell laut Paß Schweizerin, O. W. Fischer Oesterreicher, kommt Hannerl Matz aus Wien und Curd Jürgens auch. Aber ohne die Schell und den Fischer gäbe es auch keine Filme, die den deutschen Film wieder interessant gemacht haben auf der Welt." Richtig! Und so wollen auch wir es jederzeit halten. Wenn uns Wolfgang Liebeneiner gut genug dazu war, den „Oesterreichfilm" zum Welterfolg zu führen, und Helmut Käutner, uns mit der „Letzten Brücke“ den Goldenen Lorbeer vom Himmel zu holen, so haben sie sich damit zweifellos auch das Anrecht erworben, als Mitsprecher, ja zu gegebener Stunde auch als Speaker des österreichischen Films aufzutreten — sie, und nicht einer aus der Komparserie, weil er zufällig in Hernals zur Welt gekommen ist.

Schade nur, daß wir Herrn Fuetterer immer nur als beiläufige Charge in Filmen , sehen. Würde er einmal an einem österreichischen Film an maßgeblicher Stelle mitarbeiten, so würden wir ihm herzlich gerne beweisen, wie selbstverständlich hierzulande Rang und Leistung über alle Grenzen hinweg anerkannt werden. Sogar Speaker sein, richtig reden dürfte er — aber nicht solchen Unsinn wie in Locarno, bitte schön!

Nur eine Baumtragödie ?

In der Postgasse spielte sich kürzlich eine Baumtragödie ab.

Hier standen in einem kleinen gitterumfriedeten Gärtchen auf einer Mauerterrasse vier mächtige Ailanthusbäume, die das Stadtbild verschönten, so daß sie deshalb unter Naturschutz gestellt worden waren. Im Zuge der Restaurierungsarbeiten des alten Universitätsgebäudes durch die Bundesgebäudeverwaltung wurde nunmehr erklärt, daß diese vollständig gesunden Bäume, die jahrzehntelang die Bewohner des Viertels erfreuten, durch ihre die Mauer zerstörenden Wurzeln den Verkehr gefährden und daher entfernt werden müssen. Bundesdenkmalamt und'Naturschutzbehörde der Gemeinde Wien waren dagegen und schlugen vor, nur den einen Baum, der etwas gegen die Mauer drückte, zu entfernen und die Mauer selbst entsprechend zu verstärken. Das war aber nicht im Sinne der planenden Ingenieure der Bundesgebäudeverwaltung, die eine radikale Abtragung der ganzen reizenden Gruppe vorhatten. Mit einer Beschleunigung, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre, wurden in den Morgenstunden des 20. Juli alle vier Bäume gefällt. Dadurch wurde ohne zwingende Notwendigkeit ein reizendes Stadtbild einer nüchternen Fassade geopfert. Vor kurzem waren in Wien zwei Gartenausstellungen, dabei gab es Reden, in denen sehr viel von Stadtgrün, Grünzönen, Lungen der Großstadt zu hören war. Auch „Tage des Baumes“ gibt es immer wieder. In der Theorie! Die Praxis, in der sich seit Jahren Sünde an Sünde reiht, sieht anders aus.

Im übrigen ein trauriges Beispiel eines Behördenkonfliktes. Eine amtliche Stelle zerstört etwas, das eine andere unter Schutz gestellt hat.

„Wo hamse j’edient?“

Wir kennen ihn aus dem „Hauptmann von Köpenick“, den Prokuristen Knell, Personalchef der Schuhfabrik „Axolotl“, der dem arbeitsuchenden „Mann“ obige Schicksals-frage entgegenschleudert, worauf dieser die Hacken zusammenschlägt und — so er kann zurückplärrt: „Beim Loiberregiment, Herr Prokurist.“

Diese Art von Personalchefs ist nicht ausgestorben, sie hat sich, hinter ihrem Schreibtisch geborgen, durch zwei Weltkriege gerettet. Die Einstellung einer Arbeitskraft ist für sie eine „Machtdemonstration“, ein „Gnadenakt“. Dafür einige Beispiele aus der Wochenzeitschrift des deutschen Gewerkschaftsbundes, „Welt der Arbeit“:

„Frau Friedel K.: 31 Jahre alt, verheiratet, ein Kind. Der Mann von Frau K. ist ein kleiner Vertreter. Kürzlich hat die Firma, für die er tätig war, Pleite gemacht. Familie ist in Not. Frau K. hat Kenntnisse in Schreibmaschine und Steno. Sucht Stellung als Kontoristin. Es will sie aber niemand, weil verheiratet und .schon' 31. Gestern konnte sie sich bei einer Versicherung vorstellen. Der Personalchef hat sie erst prüfen lassen und dann erklärt, seine Firma stelle ,nur Damen ein, die tadellos gekleidet und gepflegt' seien. Frau K. ist völlig entmutigt. Sie ist nicht elegant gekleidet, aber sehr sauber."

„Drei ältere Angestellte erklären übereinstimmend, daß sie bei Vorstellungen im Durchschnitt mindestens eineinhalb Stunden warten müßten, bis der zuständige Herr sich ihrer annehme. Nur in wenigen Fällen wurden sie überhaupt begrüßt. Wenn ihnen ein Stuhl angeboten werde, dann sei das eine Ausnahme. Sie sagten, es käme ihnen bald so vor, als seien sie Bettler." „Fest steht jedenfalls", so heißt es in dem Artikel, „daß sehr viele Personalchefs oder ihre Mitarbeiter sich ungezogen, unhöflich, ja rüpelhaft gegen Arbeitsuchende benehmen." Vielfach seien auch die Einstellungsbedingungen von Firmen untragbar und unerträglich. Es gebe beispielsweise eine Firma, die den Stellungsuchenden einen Fragebogen mit 65 zum Teil sehr intimen Punkten ausfüllen lasse, bevor er überhaupt nur ein Wort über seine Chancen gehört habe. Eine Firma im Siegerland lasse bei arbeitsuchenden Frauen, auch bei unverheirateten, Schwangerschaftsuntersuchungen vornehmen.

Ein großes und weltbekanntes Handelsunternehmen Westdeutschlands mit eigenen Fabrikationsstätten, lasse ledige Frauen bei der Einstellung die Verpflichtung unterschreiben, daß sie im Falle einer Heirat sofort aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Auch Fragen nach Religionszugehörigkeit, Schulden und Parteizugehörigkeit tauchten in den Personalbogen auf. Herr Knell hat also würdige Nachfolger gefunden.

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