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Freie Fahrt

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Ich hatte wieder einmal beruflich in Österreich zu tun. Genauer gesagt, in dem Teil des Heiligen Landes Tirol, der zur Republik Osterreich gehört. Die Stubaier-Alpen im Herbst, das ist die richtige Adresse zur richtigen Jahreszeit: Die Ferien sind endgültig zu Ende, der Luftdruck ist hoch.

Dennoch wollte in mir die rechte Freude nicht aufkommen. Das lag weniger daran, daß ich meine Reise dienstlich antreten mußte, was mir in den nördlichen Breiten sowieso keiner so recht abnahm. Es hing vielmehr damit zusammen, daß mich kein anderer Weg zur rechten Zeit nach Fulpmes führte, als der über Autobahn und Landstraße -im eigenen Wagen.

Je näher das Ende des anstrengenden Aufenthaltes in erholsamer Umgebung rückte, desto düsterer wurde meine Stimmung. Es drohte ja die Rückfahrt. Doch es kam alles ganz anders. Als ich mit Zittern und Bangen die Brennerautobahn Richtung Norden erreichte, traf es mich wie Blitz und Donner, nein, eher wie Blitz ohne Donner: Die Autobahn war völlig leer. Und sie wurde auch kaum voller, als ich Innsbruck und all die Autobahnauffahrten im Inntal passierte.

Was passiert war, wissen Sie, verehrte Leserinnen, natürlich. Ich war der Nutznießer der italienischen Brennerblockade. Was Sie aber sicher nicht wissen, ich war auch gleichzeitig der Nutznießer deutscher Gründlichkeit. Wegen des längst historischen Brückendesasters bei Kufstein werden Au-tobahnfahrer in Deutschland schon im hohen Norden vor dem Befahren der Inntalautobahn gewarnt und in Umleitungsstaus geleitet.

Das Kombinations-Wunder von Brenner und Kuf stein bescherte mir den Traum jedes Autofahrers; auf den Autobahnen der siebziger Jahre mit einem Auto der neunziger Jahre im Verkehr der fünfziger Jahre fahren zu können. Beim Inntaldreieck in Bayern war der Traum ausgeträumt. Der deutsche Autobahnalltag hatte mich wieder. Und nach München gab's einen Vorge-schmack auf die Situationzur Jahrtausendwende. Der neue gesamtdeutsche Verkehr macht aus drei-einhalbspurigen Autobahnen Stadtstraßen im Rush-hour-look. Kein Wunder, wenn es an öffentlichen Ermahnungen, man möge doch den eigenen fahrbaren Unter-satz gegen ein Massenverkehrsmittel tauschen, nicht mangelt.

So geben neuerdings Ministerien in deutschen Landen neben ihrer Anschrift auch die Nummern der Straßen- und Schnellbahnen an, mit denen sie vom Hauptbahnhof erreicht werden können. Nur die Minister und Staatssekretäre müssen -leider - immer noch mit ihren Dienstwagen fahren. Das heißt, meistens stehen sie ja. Im Stau.

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