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Digital In Arbeit

F.O.R.M.O.S.A.

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Wenn der Mensch schon einmal etwas selbst erlebt, dann hat er das - 60 viel Zeit muß sein! - zu dokumentieren. Klar, aber wie? Urkunden über die häufige Anwesenheit in sehr fernen Ländern, Dokumente über die mehrmalige Überschreitung von Wendekreisen sind gut, aber sie könnten gefälscht sein.

Was richtig zählt, ist nur der fotografische Beleg, und zwar der selbst angefertigte, den man ja sofort erkennt, wenn man ihn betrachtet. Tante Erna kerzengerade vor dem Schiefen Turm, Onkel Otto in Schräglage, Großeltern auf Kämelen, Enkelkinder unter denselben, das sind Motive, die einnochso ausgekochter Profi nie undnimmerauf 's Dia bringt.

Weil diesen Zusammenhang zwischen Reisen und Beweisen jeder Mensch heutzutage kennt, haben die f emös t liehen Industriegiganten mit ihren Fotoautomaten so großen Erfolg bei uns in good old Europe. Ein Druck auf mandelförmige Auslöser genügt: ein japanisches Mi-krogehirn mißt und regelt, steuert und schaltet, und ein japanischer Mikrometer öffnet und schließt, schiebt und spult. Egal wohin und worauf Sie Ihren Lichtbrldroboter auch richten, das Ergebnis ist ein gestochen scharfes Foto. Lediglich die Entscheidung Papier oder Dia müssen - nein, dürfen - Sie noch treffen. Und dennoch ist auch das nicht die Lösung aller reisedokumentarischen Probleme, denn es bleibt immer noch die Frage, was man denn mit seinem optischen Wunderding optisch verewigen soll.

Wohl dem, der mit einem Partner oder - noch besser - einer Partnerin auf Reisen geht. Der braucht sich um die Wahl des richtigen Motivs nämlich nicht selbst zu kümmern! „Guck, Ewald, die süßen Negermäd-chen! Die mußt Du unbedingt fotografieren!“ Ewald richtet seine Kamera auf bildhübsche junge Frauen mit beträchtlicher Oberweite. „Nein, nicht nach rechts, dort drüben spielen die Kinderchen!“ Die Dias, gestochen scharf und preiswert Trotzdem richtet er die Kamera auf den Elefanten und wird durch einen Trompetenstoß mit Sandstrahleffekt belohnt. „Jetzt fotografiere doch endlich die Sonne!“, werden durch die Damen Erna, Edda und Elfi die Herren Rudi, Robert und Rainer an jedem Urlaubsabend mit sichtbarem Sonnenuntergang gemahnt, und so gibt es in der Adventszeit in jedem ordentlichen Haushalt in Deutschland eine Dia-Schau, in der man die Sonne ins Meer stürzen, hinter Wolken verschwinden und über Bergspitzen segeln sehen kann.

Der Vorteil der partnerschaftlichen Reisedokumentation ist nicht zu übersehen: der eine hat die Wahl, dem anderen bleibt die Qual erspart. Ehestreitigkeiten über das zu wählende Motiv und die einzustellende Blende, die schon auf so mancher Safari beide Partner in Lebensgefahr gebracht haben, sind bei diesem Verfahren nahezu ausgeschlossen.

Reist freilich einer der Partner alleine oder sind sie auch nur zeitweilig getrennt, dann ist Gefahr im Verzuge. Gleichgültig, welches Motiv der eine wählt, nach einem ungeschriebenen Naturgesetz ist der andere damit unzufrieden: „Jetzt hast Du schon vierzehn Malven-sträucher geknipst, aber noch keinen einzigen Schimpansen!“ - oder auch umgekehrt. Nun aber kommt frohe Kunde auch für alle Motivzauderer und Bildwahlschwächlinge.

Aus dem Femen Osten - woher sonst — wird die Entwicklung des vollautomatischen Fotomotivselek-tors - vorläufiger Produktname FORMOSA für Fotoapparat mit optimaler Selektion der Abbildung -gemeldet FORMOSA wählt halbautomatisch nach Voreinstellung oder auch völlig selbsttätig das. jeweils optimale Motiv und stellt selbstverständlich das gewünschte Endprodukt auch in perfekter Qualität her.

Das einzige, was Ihnen noch zu tun bleibt, ist, FORMOSA mit auf Reisen oder zu anderen Anlässen, die dringend einer Fotodokumentation bedürfen, wie Betriebsfeiern, Familienfeste, Kegelabende, mitzunehmen. Ist FORMOSA auf Reisen auf Automatikbetrieb eingestellt, dann werden völlig automatisch Sonnenauf- und -Untergänge, landende und abfliegende Flugzeuge, Brunnen mit Familienbesatz, Kirchenstufen mit Reisegruppen, Busse, aus denen Reisende hervorquellen oder hineinströmen, abgelichtet.

Im halbautomatischen Betrieb ist FORMOSA freilich nicht ohne Tük-ken. Unlängst hatte ich mich in der Vorwahl verwählt, als es darumging, eine Familienfeier erbtaktisch zu fotografieren. Statt auf Taste „Erbtante“ zu drücken, hatte ich „Gemütlichkeit“ gewählt Als der Film von der Entwicklung kam, waren alle Fotos total unterbelichtet.

Trotzdem, ohne FORMOSA gehe ich in Zukunft nicht mehr auf Reisen, so beschwerlich sie in diesen reisetollen Tagen auch sein mögen. Aber vielleicht denken ja die japanischen Tüftler noch länger über sinnvolle Produkte nach und erfinden - endlich - den Fotoapparat, den man auch alleine auf Reisen schicken kann.

Dann wird es für mich endlich wieder Ferien geben!

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