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Der rote Herzog

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Luchino Visconti, Herzog von Modrone, war Kommunist und einer der genialsten Regisseure, die Italien bislang hervorgebracht hat. Nun kann man zwar recht gut Kommunist und Herzog zugleich sein, nicht aber dogmentreuer Kommunist und Genie. Das hat sich im Falle des Bert Brecht schon längst herausgestellt. Unter den Händen eines Genies gerät das marxistische Dogma auf Abwege.

Visconti wollte nachweisen, daß die gesellschaftlichen Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg an allem schuld seien, aber im „Tod in Venedig“ geriet ihm der Nachweis zu einer rauschhaften Jugendstil-Mixtur aus Thomas Mann und Gustav Mahler. Visconti wollte nachweisen, daß die Monarchen an allem schuld seien, und es entstand ein Ho-heslied auf Ludwig II. von Bayern.

Visconti wollte nachweisen, daß seine Verwandten, die Feudalen, an allem schuld seien, und er verfilmte den „Gat-topardo“, das grandiose, obgleich unvollendet gebliebene Werk des Giuseppe Tomasi, Herzogs von Lampedusa. Was dabei herauskam, war eine Glorifizierung der siziliani-schen Halbgötter, von denen nur ein Verrückter wie Garibaldi glauben konnte, sie seien dasselbe wie die Milanesen oder die Florentiner.

In den „Verdammten“, die der ORF dankenswerterweise nach vielen Jahren wieder Hunderttausenden Zusehem nahebrachte, holte Visconti zum Schlag aus und wollte endlich den Nachweis erbringen,' daß die Privatwirtschaft an allem schuld sei.

Es entstand die Schicksalstragödie eines sich selbst ausrottenden Atridengeschlechts, in dem Mord und Greuel jeglicher Art, bis zum Ödipus-In-zest, an der Tagesordnung sind, dargestellt vor dem Hintergrund des heraufkommenden Nationalsozialismus. (Die anfänglich nur kleinen Hakenkreuze füllen am Schluß des Films ganze Wände.)

Ungeheuerlich und genial: wie Visconti die Mordnacht des 30. Juni 1934 inszeniert hat, die Hinschlachtung der SA durch Hitler! Seit jenem Tage gab es keine Ausrede mehr, jeder mußte nun wissen, daß der Staatvdem er diente oder mit dem er diplomatische Beziehungen unterhielt, einer Gangsterbande anheimgefallen war.

Daß dies, wie im Untertitel des Films vermerkt, etwas mit „Faschismus“ zu tun habe, ist wohl das Dümmste, was öffentlichen Phrasendreschern bisher eingefallen ist.

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