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Der Traum von Rene

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An mein Haar laß ich nur den Gatsch und Rene..." Diese TV-Werbung! Wie das erotisiert! Wie das prickelt! An mein Haar... Sie wissen schon, den Gatsch darf ich aus Gründen der product place- ment-Klausel nicht näher definie- ren.

Da umtänzelt dieser Halbgott von Figaro die Schöne, zupft hier ein

Strähnchen, rückt dort ein Löck- chen. Weicht einen langgezogenen Tangoschritt nach hinten, um sein Werk auch aus der Ferne zu begut- achten. Hüllt zum Schluß die rassig wallende Pracht noch in einen Nebel

aus Haltbarkeit und Duft, daß das Ozonloch vor Begeisterung gleich noch ein Stückchen weiter reißt. Und die Salons, die solchen Haar- verführungskünstlern dienen! Diese laszive Mischimg aus Louis- Seize, Nobelpuff und interstella- rem Labor!

Bei meinem Fräulein Waltraud hingegen weiß ich genau, wo ich

bin. Am Stangerl hängen die Frot- teetücher, Größe 50 x 100, gestreift, zum Trocknen, die Nylonkittel sind atemlos pflegeleicht, das Mobiliar kann die sechziger Jahre vor dem großen Ölschock beileibe nicht verleugnen. Plastik, soweit das Auge reicht.

Ja, bei Rene, da unterfährt die Künstlerhand mit lässiger Gebärde die glänzende Pracht, kaskaden- gleich rieselt Goldsprenkeliges über seinen atemberaubend taillierten Kasak, daß der Bildschirm und ich knistern.

Es gibt eben gravierende Unter- schiede zwischen einem Coiffeur und einer Friseurin. Wenn ich zag- haft beim eingemerkten Finger das VOGUE aufschlage, auf eine Frisur tippe, packt sie eine meiner nassen Strähnen, beäugt sie abwertend, indem sie den mäßigen Umsatz, den ich ihr bereite, im Geist überschlägt und schnippt dann mitleidig: „Bei Ihren dünnen Haaren..." ER hätte wenigstens HAAR geflötet...

Na ja.

Von wegen Einnahmen: da möch- te ich im Fasching schon Friseur sein. Von der Arbeitsleistung her lieber Eisverkäufer.

Natürlich kann meine Friseurin mir mit Recht entgegenhalten, sie sei kein Rene, aber ich noch viel weniger ein Topmodel. Beide in- klusive der jeweiligen Preisklasse, versteht sich.

Nach genau kalkulierter Behand- lungsdauer verlasse ich Frau Wal- trauds Stätte angeblicher Verschö- nerung wieder für drei Monate. Mit hochroten Wangen, steifem Genick und dem Gefühl eines gerupften Hühnerpopos. Und, natürlich, dem Traum von Rene.

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