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Der Uhrensklave

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Aktuelle, subjektive und fiktive Zeit sollte in Emst Jandls Hörspiel „Der Uhrensklave” ineinanderge- hen. Es gab, in Stereoregie, einen Zeitungsleser, der zu aktuellen Meldungen seinen höchst persönlichen Kommentar abgab, von Krieg über Umweltschutz bis zur Orthographie des Namens Boock („zwa O und a CK, so a bledsinn”). Freie Assoziationsketten, an diversen Schlagzeilen aufgehängt und einem unbestimmten „Kronen-Zeitungs”-leser mittlerer Intelligenz in den Mund gelegt, der sich ab und zu bis zu philosophischen Weisheiten aufschwingt. „Es gibt ja sogar Elefantengulasch, warum soll es keine Käseknödel geben?” Aus dem linken Mikrophon spricht mittlerweile eine monotone Stimme, die Zahl eins bis hundert in immerwährender Folge, ein geeignetes Stilmittel, um im Zuhörer die Wertlosigkeit auch der Zeitungsnachrichten zu assoziieren.

Zunächst recht reizvoll, doch hätte die Sache weiterentwickelt werden müssen, ungezielte Langeweile stellt sich ein, die durch die Abschlußpointe nur teilweise gerechtfertigt erscheint. Der Vortrag des Zeitungslesers wird sporadisch von Atemgeräuschen unterbrochen, dann von der wiederholten Frage „wann?”, die sich als Überraschungseffekt selbst mit ,jetzt” beantwortet. Ein guter Gag, zu lange ausgewalzt. Im zweiten Teil des av- antgard hörte man den als Hörerbeschimpfung angekündigten Monolog eines Radiosprechers. Thema: die Scheinkommunikation via Hörfunk. „Ich spreche aus dem Rundfunkgerät in ihrer Wohnung… Ich spreche zu jemandem, zu dem ich ansonsten nicht sprechen würde… Ich spreche, und es ist niemand anwesend, zu dem ich spreche…” Brechts Rundfunktheorie, dramatisiert via Handke. Gustav Emst baute sie stilistisch interessant auf, mit assoziativen Per mutationsketten, die durch minimale grammatikalische Variationen Sinnverschiebungen erlitten. Wenn auch in Details mißlungen, insgesamt ein anregender Abend.

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