Unter den vielen Büchern des 1912 geborenen, weltweit angesehenen Historikers Gordon A. Craig nimmt vorliegendes eine Sonderstellung ein. Es ist Literatur und Geschichte zugleich. Craig ist von der Wechselwirkung und den Beziehungen zwischen dem Schriftsteller und der Macht fasziniert. Es gelingt ihm, nicht zuletzt wegen der angenehm lesenswerten Form, diese auf den Leser zu übertragen.
Wurden bedeutende Schriftsteller durch die Macht angezogen oder gar korrumpiert, oder mehr abgestoßen? Dieser im Hinblick auf die Dichter-Politiker in Osteuropa aktuellen Frage, die zehnmal anders beantwortet wird, ist Craig nachgegangen.
Er beginnt mit „Goethe als Staatsmann", geht über zu „Schiller und die Polizei", befaßt sich mit dem Schweizer Historiker Johannes von Müller, widmet eine ausführliche Studie Wilhelm von Humboldt als Diplomaten, erklärt auf brillante Weise den fanatischen Kampf Heinrich von Kleists gegen Napoleon und bespricht die Einstellung (oder Reaktion?) der Deutschen auf Heinrich Heine, selbst
noch 150 Jahre nach seinem Tod. Dazwischen gibt es ein Kapitel über Nikolaus Lenau, Friedrich Hölderlin, Georg Forster, den er als „deutschen Jakobiner" bezeichnet und Gervinus. Jedes der zehn Porträts konnte für sich allein stehen, dennoch existiert ein, wenn auch nicht immer sichtbarer gemeinsamer Nenner.
Der Name Gordon A. Craig bürgt für profundes Wissen und Seriosität. Er gilt seit Jahrzehnten als einer der besten Kenner deutscher Geschichte, ist seit 1962 Honorarprofessor der Freien Universität Berlin und Präsident der American Historical Association. Wohltuend sind seine angelsächsische Kürze, Prägnanz und Objektivität. Hier kommt man zur Sache, ohne viel herumzuflunkern.
Noch ein kleines Lob für den Verlag. Er ist diesmal von dem üblichen, bis zum Überdruß strapazierten, bei den meisten Verlagen gleich langweiligen Buchrücken abgewichen und hat sich einen farbigen Buchrücken geleistet. Craigs Werk ist ohne jede Einschränkung wärmstens zu empfehlen.
DIE POLITIK DER UNPOLITISCHEN. Deutsche Schriftsteller und die Macht 1770-1871. Von Gordon A. Craig. C. H. Beck Verlag, München 1993. 247 Seiten, öS 343,-.
