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Die Frau Minister und das Wittgenstein-Haus

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Am Montag, 21. Juni 1971, um halb vier Uhr, trat Frau Minister Firnberg im Kreis von Architekten und anderen Leuten vor das niegesehene Haus, und sprach: „D a s Haus? — Das is’ doch nicht Ihr Ernst?! — Ich muß sagen, ich muß auf vieles eingehn, aber das? — Es gibt Grenzen!“ Der Einwurf: daß es keine Grenzen gebe, wurde von ihr mit dem verstärkten Refrain bedacht: „D och, es gibt Grenzen!“ Sie hatte nicht verstanden, daß die Grenzenlosigkeit von Inkompetenz und Arroganz gemeint war. Die Versammelten versuchten der Reihe nach, die Frau Minister zu unterrichten und darüber hinaus aufzuklären, daß das Haus von Wittgenstein und Paul Engelmann in Wien einzig dastehe und daß es an sich erhaltenswert sei, Wittgenstein und Engelmann kämen erst in zweiter Linie in Betracht; Minister Fim- berg wiederholte immer wieder pikiert: „Sagen Sie!“ Und wenn einer zu bedenken gab, daß nicht er allein so urteile, sondern daß1 es noch andere gebe; die immer abschließende Replik der Frau Minister war: „W e r sind d i e?“ — als ob es heißen sollte: „Emo- tionierte Nullen und politische Querulanten.“ Der Ton, in dem sie das alles sagte, war zwar ein Wiener Ton, aber er läßt sich nicht schildern; er hatte etwas Aufreizendes, und einige der Anwesenden waren nähe daran, ihm nachzugeben.

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