6939656-1983_22_10.jpg
Digital In Arbeit

Die Gefühllosen

Werbung
Werbung
Werbung

Eine einfache Fabel, schmucklos, auf die Ereignisse des Alltagslebens konzentriert — und doch hat dieser zweite Roman von Peter Ebner einen seltsamen, düsteren Zauber. Man erliegt dieser Kraft und weiß zunächst nicht, wodurch diese Prosa derart stark wirkt.

Ebner erzählt eine für die Gegenwart typische Geschichte. Eine hohl gewordene Ehe geht zu Ende; der Ehemann findet eine kluge, vieles verstehende Freundin; die beiden fast erwachsenen Kinder verlassen das elterliche Heim; Ehefrau und Freundin lernen einander kennen; beide halten den Mann für einen Egoisten; die beiden Frauen mieten eine gemeinsame Wohnung; der Mann bleibt allein.

Alle fünf Menschen haben über Emanzipation und Partnerschaft viel Kluges und viel Dummes gelesen und befolgen die Ratschläge all der klugen oder dummen Autoren einschlägiger Literatur. Das ist für die Zeit typisch, aber nicht erschütternd. Warum liest man die Geschichte dennoch mit wachsendem Interesse, von einer — offenbar unausgesprochenen — Wahrheit wie gebannt?

Ebner stellt Menschen dar, die keine Gefühle haben. Sie kennen keinen Glauben, keinen Eros, keine Fröhlichkeit, keine Verzweiflung. Sie verbringen ohne größere Sorgen die Zeit, essen, trinken, arbeiten, reisen, plaudern mechanisch, schließen Freundschaften, haben Liebschaften, äußern Meinungen, aber sie bleiben empfindungslos, hohl, kalt, eigentlich leblos. Sie sind nur scheinbar Menschen, in Wirklichkeit sind sie Automaten, die ein Programm ausführen.

„Das Schaltjahr“ ist ein klarer, erbarmungsloser Zeitspiegel und als solcher ein wichtiger, bedeutungsvoller Roman.

DAS SCHALTJAHR. Von Peter Ebner. Verlag Styria, Graz-Köln-Wien, 1983. 240 Seiten. Ln., öS 248,-.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung