6816929-1973_14_11.jpg
Digital In Arbeit

Die Impressionisten in London

Werbung
Werbung
Werbung

Den „Impressionisten in London“ im Rahmen der „Fanfare for Euro-pe“ eine Ausstellung zu widmen, das war eine originelle und den Umständen entsprechende Idee, denn in allen Sketches und Cartoons wurde seit Wochen immer wieder darauf eingegangen: wie sehen uns die „Europäer“, was denken sie von unserem Land? Nichts wurde einem erspart, kein Witz über das englische Wetter, kein Kommentar über die englische Küche, es war nun an der Zeit, etwas Positiveres, Konstruktiveres zu bringen.

In der Tat kamen die meisten französischen Maler im Laufe ihrer Reisen irgendwann nach England — und sie liebten London. Man hätte denken können, daß ihnen das Licht hier fehlte, daß sie die Sonne vermißten, daß eben das, was wir oft als ewiges Grau empfinden, sie gestört hätte, aber es war für sie besonders reizvoll, die Dinge wie hinter einem Schleier zu sehen, in einem Licht, das durch den Dunst zersetzt war, das die Umrisse auflöste, die Gegenstände in eine Traumlandschaft rückte und einem stetigen Wandel aussetzte. Gerade das mußte sie anziehen, gerade das mußte ihnen ein nicht enden wollendes Thema für ihre Studien liefern.

Man denkt nie daran, daß Monet und Pissarro 1870 als Flüchtlinge nach London kamen. Damals — es ist jetzt hundert Jahre her — war Frankreich im Krieg mit den Preußen, Renoir, Bazille und Manet wurden aufgerufen, und während Cezanne sich nach Südfrankreich zurückzog, um dem Krieg zu entgehen, flohen Pissarro und Monet nach London. Von diesem ersten Besuch Monets sind nur wenige Bilder bekannt, aber in den folgenden Jahren kehrte er immer wieder nach England zurück und setzte sich 1899 in das Savoy Hotel an der Themse, um von dort aus die Cha-ring Cross Brücke zu malen. Im folgenden Jahr war er wieder im Savoy, um sich diesmal der Waterloo Bridge zu widmen, machte 1901 eine dritte Reise und nahm die 37 Londonbilder mit nach Hause, um dort jahrelang weiter daran zu arbeiten. Von dieser Serie sind 26 Bilder in der Hayward Gallery ausgestellt, drei weitere Gemälde stammen von dem ersten Besuch, eine Ansicht des Leicester Squares bei Nacht, verwirrend in seiner Kühnheit, ergänzt die außergewöhnliche Sammlung, die aus Irland und Amerika, Deutschland und Frankreich, Dänemark und der Schweiz zusammengetragen wurde.

Nach diesen einmaligen Erfahrungen wird man London nie mehr mit den selben Augen sehen. Der Nebel, mit Silberfäden durchwirkt, der helle, zarte, von Arabesken durchzogene Nebel früher Morgenstunden, das feine Rosa dieses Nebels, der sich auf das House of Parliament senkt, der die Brücken in einen lila Schimmer taucht und die schwachen Strahlen einer untergehenden Sonne widerspiegelt, dieser Nebel verklärt die Landschaft, verwirrt das Auge, verschiebt die Verhältnisse, enthält Imponderabilien und Entdeckungen, welche den Fluß neu und immer wieder neu erscheinen lassen. Man denkt an die Kathedrale von Rouen, man denkt an viele andere Bilder von Monet, die Bindung mit „Europa“ ist plötzlich wie durch ein Wunder zur Realität geworden, zu einer Realität, die. empfunden und erlebt wurde.

Monet dominiert die Ausstellung, das ist gar keine Frage. Trotzdem wäre sie nicht komplett ohne die Gassen und Gärten, die Straßenszenen und Blumenbeete von Pissarro, die Felsen und Bäume, Dämme und Regatten von Sisley. Zwei Landschaftsbilder aus Guernsey und ein Frauenbildnis belegen einen Aufenthalt Renoirs auf der Insel im September 1883. Nun hätte man vergleichshalber gern einige englische Impressionisten gesehen, statt dessen wurden fünf Gemälde von Deram und eines von Kokoschka hinzugefügt. Auch sie stellen die Brücken dar. Ein Schritt und man befindet sich auf der Terrasse der Hayward Gallery: vor einem die Themse, zu beiden Seiten die Waterloo und die Charing Cross Bridge. Die untergehende Sonne, der dünne Nebel, die in blassem Lila bebenden Schleier, “alles stimmte plötzlich haargenau. Für den, der zu sehen weiß, isf London eine wundervolle Stadt. Die Impressionisten wußten das und haben uns diese Botschaft übermittelt.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung