Mitten im Sommer, während die meisten Opernhäuser europäischer Großstädte längst geschlossen waren, fanden in London drei Opempremieren statt. Zweider Werke begnügten sichmit einem Kammerensemble und einer kleinen Anzahl von Sängern.Die Ausnahme war die neue, dreiaktige Oper von Sir MichaelTippett, „Wenn das Eis bricht“; außer sieben Sängern, großem Chor und Ballett benutzte er in dieser viertenundangebächletztenOper ein Orchester mit verstärktem Schlagzeug, das mit seinem reich besetzten tiefen Blech den dröhnenden Klang des brechenden Eises darzustellen, mit elektrischen
Es war für niemanden eine Überraschung, daß „Neither” („Weder Noch”), die erste Oper des amerikanischen Minimalisten, Morton Feldman, bei der Uraufführung mit lautem Protest aufgenommen wurde. Erstaunlich daran war lediglich, daß das „Teatro dell’Opera di Roma” das Werk, allerdings im Einvernehmen mit der amerikanischen Botschaft, in Bestellung gegeben hatte.In Samuel Beckett und Michelangelo Pistoletto fand Feldman gleichgesinnte Künstler, die ihm Text, Bühnenbild und Inszenierung für eine Partitur lieferten, die für nur eine einzige Sängerin und ein großes, aber
Anfang der fünfziger Jahre gab der damals blutjunge Alfred Brendel einen Klavierabend in Kairo. Im Palast des Prinzen Mohamed Ali wurde eigens aus dem Anlaß einer der Prunkräume geöffnet, und während der junge Künstler tief in die Tasten griff lind der Raum unter den ungewohnten Schwingungen erbebte, löste sich plötzlich das Gold von der Decke und der Staub rieselte ebenmäßig auf Flügel und Pianisten.Die Lektüre von Brendels neuem Buch, „Nachdenken über Musik”, rief Erinnerungen an dieses Erlebnis wach. In einem Aufsatz über den „Umgang mit Flügeln” spricht er von den
Mit 40 Jahren gilt Steve Reich als der wichtigste Vertreter amerikanischer Experimentalmusik, wird in Amerika freilich vor allem in Museen und Kunstgalerien aufgefixhrt. In Europa dauerte es eine ganze Weile, bis sein Name an die Öffentlichkeit drang, und die erste europäische Aufführung, die Übertragung eines Tonbandstückes, fand 1969 in der Berner Kunsthalle zwei Jahre vor seinem ersten Auftreten in London statt.Dieses erste Stück, „It’s Gonna Rain”, entstand 1965 am San Francisco Tape Music Centre und war das Ergebnis eines Experimentes: Reich ließ zwei identische
Sommersaison in London: das bedeutet 48 Promenadenkonzerte in der Royal Albert Hall, mit durchschnittlich 2000 „Prommers“ auf den Stehplätzen und bis zu 4500 Zuhörern im Parkett und auf den verschiedenen Balkons; das bedeutet ferner fünf Kirchenkonzerte in der Westminster Cathedral und in St. Augustine's und einige Konzerte im Round House, wo man auf dem Boden sitzen kann, um sich zeitgenössische Musik anzuhören.In dem Konzert der „Fires of London“ war die Novität ein Werk von Oliver Knussen, dem 24jährigen Komponisten aus Glasgow, der bereits mit 16 Jahren seine erste Symphonie
Immer größer, immer imposanter wirkt der Centre Pompidou auf dem Plateau Beaubourg im Herzen von Paris, unweit der früheren „Halles“. Erstaunt sehen die Pariser das Ungetüm wachsen, und sie fragen sich, was die Mauern dieses „Monstre sacre“ verbergen mögen. Die Antwort auf diese Frage gab kürzlich im Londoner Institut Francais ein Spezialistenteam, das sich bemühte, die Notwendigkeit und den Wirkungskreis des neuen Kunstzentrums zu veranschaulichen.
„Da Opernhäuser existieren und da sie die besten Anlagen, Bühneneinrichtungen und akustischen Vorbedingungen bieten, sollte man sie benutzen. Aus keinem anderen Grund.“ Dieses sagte Hans Werner Henze, und als er von dem Königlichen Opernhaus Covent Garden einen Opernauftrag erhielt, wandte er sich an Edward Bond, den radikalen, jungen englischen Dramatiker und zusammen schufen sie das neue Werk, „Wir erreichen den Fluß“, dessen Uraufführung in London wenige Tage nach Henzes 50. Geburtstag stattfand.
In Gegenwart des Sheikh ei Aznar, des höchsten geistlichen' Würdenträgers des Islam, wurde das britische Festival „Die W«lt des Islams“ von der Königin eröffnet. Über Nacht würde Londfon zum Treffpunkt von Kunstsammlern und -händlern, Liebhabern und Fachleuten, und nicht nur in Museen, sondern auchÖin Privatgalerien und Auktionshäusern, wie Sotheby und Chrüpe, im Rahmen von Kolloquien, Kongressen, Symposien und^Emi-naren, Vortragsreihen und Konzerten gewinnt der^irfKucher Einblick in eine Welt, die ihm bisher verschlossen wai>und die sich ihm m ihrer ganzen Pracht,offenbart.
Mit ihrem bekannten Flair empfand Lina Lalandi, die unermüdliche Förderin zeitgenössischer Musik, daß Manuel de Falla trotz der geringen Anzahl seiner Werke zu den großen unserer Zeit gehört und gedachte seiner in drei „Manuel de Falla Cente-nary Concerts“, die sie in ihr diesjähriges English Bach Festival einbaute.
Vor zwanzig Jahren, beim Anhören von „Kreuzspiel“ oder „Kontrapunkt“, hätte man Mühe gehabt, in Karlheinz Stockhausen den Mystiker der siebziger Jahre zu sehen, und ebenso ließ man sich 1968 täuschen durch die geistreichen Einfälle und die augenfällige Theatralik von „The Whale“ und malte sich erwartungsvoll aus, wie wohl die nächsten Werke des jungen John Tavener (geb. 1944) aussehen würden. Dabei hätten einen vielleicht die Affinität zu Olivier Messiaen stutzig machen sollen, aber die „Three surrealistic Songs“ schienen den ersten Eindruck zu bestätigen. Dann folgten in kurzen Abständen das „Celtic Requiem“, die Totenmesse für Father Malachy Lynch, das „Respon-sorium in memory of Annon Lee Silver“ und das „In memoriam Strawinsky“, und es bestand bald kein Zweifel mehr darüber, daß Sterben und Tod im Zentrum von Taveners Oeuvre steht
Im Rahmen des diesjährigen Aldeburgh-Festivals fand in der Jubilee Hall die Uraufführung von Thea Musgraves neuer Oper, „Die Stimme der Ariadne“, statt. „The last of the Valerii“, eine Erzählung von Henry James, liegt dem Libretto zugrunde. Die Handlung spielt 1870 in Rom, wo Marco Valeri, der letzte Sproß einer alten, adligen Familie, von einem „Experten“ die Statue einer auf seinem Besitz vergrabenen Juno ausgraben läßt. Um der obsessiven Betörtheit Marcos durch die fremde Göttin ein Ende zu bereiten, läßt Martha, die amerikanische Gattin des Grafen, die Statue wieder eingraben.
In der Londoner Queen Elisabeth Hall fand unter der Leitung des Komponisten die Uraufführung von Hans Werner Henzes „Stimmen“, einer abendfüllenden „Sammlung von Liedern für zwei Singstimmen und Instrumentalgruppen“ statt. Das Stück wurde im Auftrag der London Sinfonietta geschrieben und von ihr gespielt.Eine Sammlung von 22 Liedern, jedes von verschiedenen Instrumenten begleitet, in vier Sprachen gesungen, von 14 verschiedenen Autoren stammend, 22 Freunden gewidmet: all das deutet hin auf Vielschichtigkeit und auf ein weit verzweigtes Beziehungsnetz. „Den Zusammenhang“, so
Bei den zahlreichen Gruppen, die sich im Laufe der letzten Jahre in London gebildet haben, um sich speziell dem Musiktheater zu widmen, ist es wirklich schwer einzusehen, warum Elisabeth Lütgens dramatische Szene Infidelio fast 20 Jahre auf ihre Uraufführung warten mußte. Man sollte eher meinen, daß jedes Ensemble das Stück mit Vergnügen in sein Repertoire aufgenommen hätte, aber es blieb der New Opera Company überlassen, die sieben „Szenen“ der Vergessenheit zu entreißen und auf die Opernbühne von Sadler's Wells zu bringen, obgleich sie eigentlich viel besser auf das Podium
Während vier Jahren hatte Frankreich seine „Semaine Musdcale Internationale“ (SMIP). Sie gehörte zu den wichtigsten musikalischen Ereignissen des Jahres, und die Programme, in Form von Dossiers, lieferten tiefschürfende und umfassende Information über zeitgenössische Komponisten. Dieses Jahr fand zum ersten Mal das „Festival d'Automne ä Paris“ statt, an der die „Semaine Musicale“ mit einer Aufführung beteiligt war.„Addio Garibaldi“, die neue Oper von Girolamo Arrigo (geb. 1930), deren Premiere in den einst „heiligen“, inzwischen jedoch entheiligten Hallen der Opera
Das wichtigste musikalische Ereignis der englischen „Season“ war die Uraufführung der neuen Oper von Benjamin Britten, „Der Tod in Venedig“ nach der Novelle von Thomas Mann im Rahmen des diesjährigen Aldeburgh Festivals. — Thomas Mann hat in seiner Erzählung ein außergewöhnlich weit verzweigtes Beziehungsnetz ausgearbeitet und die Aufgabe Benjamin Brittens und Myfawrty Pipers, der Librettistin, bestand im wesentlichen darin, diese Verbindungen und Querverbindungen in Wort und Ton zu übertragen und den Text durch eine neue Dimension zu bereichern.
Den „Impressionisten in London“ im Rahmen der „Fanfare for Euro-pe“ eine Ausstellung zu widmen, das war eine originelle und den Umständen entsprechende Idee, denn in allen Sketches und Cartoons wurde seit Wochen immer wieder darauf eingegangen: wie sehen uns die „Europäer“, was denken sie von unserem Land? Nichts wurde einem erspart, kein Witz über das englische Wetter, kein Kommentar über die englische Küche, es war nun an der Zeit, etwas Positiveres, Konstruktiveres zu bringen.In der Tat kamen die meisten französischen Maler im Laufe ihrer Reisen irgendwann nach England —
Vor einigen Tagen starb in Paris der Musikwissenschaftler, Komponist und Dirigent, Renk. Leibowitz. Die Nachricht verhallte, ohne Aufsehen zu erregen. Wenige entsinnen sich auf die entscheidende Rolle, die er in den Nachkriegsjahren spielte und den Einfluß, den er auf den Nachwuchs ausübte.Dabei verdankt man Leibowitz die ersten Schönberg-Aufführungen der späten vierziger Jahre. Boulez studierte damals zusammen mit Serge Nigg, Jean-Louis Martinet und Maurice Le-Roux bei Olivier Messiaen. Von Schönberg kannten sie nur die Klavierstücke op. 11 und den Pierrot Lu-naire, beides Werke, die
Unter den 34 Uraufführungen, mit denen die „Hellenische Woche für zeitgenössische Musik“ dieses Jahr aufwarten konnte, befanden sich posthume Premieren von Nikos Skal-kottas und Iani Christou, Realisierungen graphischer Partituren von John Cage und Anestis Logothetis, elektronische Partituren von Michael Adamis und Stephanos Vassiliades, Multi-media-Werke von TheodoreAntoniou und Nikos Marnangakis, kurzum: alle Richtungen zeitgenössischer Musik waren vertreten und unter ihnen stand Musiktheater an prominenter Stelle. Man war auf alles gefaßt, auf alles vorbereitet, das Einzige, was
Vor einem zahlreichen, vorwiegend jugendlichen Publikum fand das große „prospektive“' Konzert des BBC-Orchesters unter der Leitung von Pierre Boulez statt. „Tetra-morph“ für 20 Streicher und elektronische Klänge von Justin Connolly (geb. 1933), ein Auftragswerk der BBC, stand im Zentrum des Programms und war eingerahmt von Bruno Madernas „Juilliard Serenade“ und Karlheinz Stockhausens „Mixtur“. Jedes Werk wurde vor der Aufführung erläutert von Pierre Boulez, der nach dem Konzert Fragen aus dem Publikum beantwortete.Der Titel „Tetramorph“ bedeutet „vierfache Form“
Kürzlich übernahm das BBC Orchester in London unter der Leitung von Pierre Boulez die europäische Erstaufführung von „Foxes and Hedgehogs”, Verses and Cantos für vier Sänger, 15 Instrumente und elektronische Tonanlage von Eric Salzman (geboren 1933), dem amerikanischen Universitätsprofessor und Musikkritiker, der durch die wahllose und unbeschränkte Verwendung von Multi media dem Kommunikationsproblem auf die Spur kommen und das Publikum durch Provokation zu regerer Beteiligung veranlassen will.Seine Forderung nach einer „nicht-abstrakten, weitreichenden, humanistischen, echt
„Sprengt die Opernhäuser in die Luft“, sagte Pierre Boulez in einem weltberühmten Interview, das am 25. September 1967 im „Spiegel“ erschien. Allerdings darf man den Ausspruch nicht gar zu wörtlich nehmen, denn in Bayreuth dirigierte er Richard Wagners „Parsifal“, in Paris Alban Bergs „Wozzek“ und in London Debussys „Pelleas et Melisande“, und man spricht sogar davon, daß er selber eine Oper schreiben will. Jedenfalls findet er, daß seit Alban Berg, also seit 35 Jahren, keine diskutable Oper mehr komponiert wurde. Wieland Wagner war der einzige Opernregisseur, der ihn zur Zusammenarbeit provoziert hat, auch Peter Brook und Ingmar Bergman betrachtet er als wirkliche Regisseure, als Regisseure nämlich, die eine moderne Oper inszenieren könnten, wenn es so etwas gäbe. Daß es so etwas nicht gibt, liegt für ihn hauptsächlich daran, daß man in einem Theajer, in dem vorwiegend Repertoire gespielt wird, nur mit größten Schwierigkeiten moderne Opern einstudieren kann. „Die teuerste Lösung“, sagte er zwei „Spiegel“-Redak-teuren, „wäre, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Aber glauben Sie nicht auch, daß dies die eleganteste wäre?“
Eng aneinandergereiht, mit lang- samem, bemessenem Schritt, betreten zwölf junge Derwische den Saal. Der weite Umhang, in den sie verhüllt sind, ist schwarz wie das Grab, ihre Gewänder sind weiß wie das Leichentuch, auf dem Kopf tragen sie hohe, spitze Filzhüte, Wahrzeichen der Grabstellen. Hinter ihnen, als letzter, das Oberhaupt, der Sheikh, Vermittler zwischen Himmel und Erde. Ein schwarzer Shawl, um seinen Turban gebunden, läßt ln ihm den Würdenträger erkennen. Eine tiefe Verbeugung bedeutet Gruß an die Gemeinde, dann läßt er sich nieder auf einem Teppich, dessen rote Farbe den
Zum drittenmal fand dieses Jahr in Athen eine Woche zeitgenössischer Musik statt. Einige spezifische Themen, vor allem elektronische Musik und audio-visuelle Experimente, lagen dem Programm zugrunde. Als Überraschungsmoment trat ein weiteres Thema dazu: das „Epicycle“ genannte Auftragswerk von J. Christen! (1926), das sich aus Happenings, strukturierten und improvisierten „events“, kollektiv und solistisch ausgeführten, eingebauten oder jeweils von außenher beigesteuerten Einheiten zusammensetzte und ursprünglich als Continuum von Anfang bis Ende der Woche geplant war und auch
Als Strawinsky den Saal der Royal Festival Hall betrat, standen stillschweigend Orchester und Publikum aul und feierten den großen Meister in ergreifender Ehrfurcht. Schwer war es ihm offenbar geworden, auf das Podium zu kommen, bis zu seinem Pult zu gelangen, aber tief verbeugte er sich vor seinen Zuhörern und sobald der erste Einsatz gegeben war, spürte man nichts mehr von Altersschwäche — hier stand ein Mann so elastisch, so konzentriert und so voller Spannung wie nur irgendein Dirigent und das Orchester hatte es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, sein Bestes zu geben und jedem Wink,
„Die Sache Makropoulos“ ist die vierte Janäcek-Oper, die in England über die Bühne geht, und tatsächlich beginnt Janäüek, sich hier ganz besonderer Beliebtheit als Opernkomponist zu erfreuen.Dabei ist gerade „Die Sache Makropoulos“ ein besonders problematisches Stück, und als Janäcek sich im Jahr 1921 — anläßlich der Aufführung des Theaterstückes gleichen Namens von Karel Capek — entschloß, diesen Text als Vorlage für eine Oper zu benutzen, gab der Autor' selbst zu bedenken, daß der Inhalt zu prosaisch und der Text zu^sehr auf Dialog angelegt sei. um sich für fin