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Happenings, Collagen, Tonbänder

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Zum drittenmal fand dieses Jahr in Athen eine Woche zeitgenössischer Musik statt. Einige spezifische Themen, vor allem elektronische Musik und audio-visuelle Experimente, lagen dem Programm zugrunde. Als Überraschungsmoment trat ein weiteres Thema dazu: das „Epicycle“ genannte Auftragswerk von J. Christen! (1926), das sich aus Happenings, strukturierten und improvisierten „events“, kollektiv und solistisch ausgeführten, eingebauten oder jeweils von außenher beigesteuerten Einheiten zusammensetzte und ursprünglich als Continuum von Anfang bis Ende der Woche geplant war und auch tatsächlich am ersten Abend mit einer spontanen, improvisierten Aktion junger Leute in der Vorhalle des Saales begann, sich allerdings danach auf eine einzige weitere Vorführung beschränkte. Ebenfalls am ersten Abend fand die griechische Erstaufführung von Chri-stous „Anaparastasis“ statt. Es handelt sich hier um die Wiederaufnahme und Wiederdarstellung eines Urrituals unter Einbeziehung von Traumvorstellungen, archaischen Konzepten, klassischer Dichtung (der Text stammt aus der „Orestie“ von Aeschylus), bedeutsamen von Chor-und Schlagzeug ausgeführten Klangmontagen, einer komplexen Anlage, die tiefste Schichten des Bewußtseins anspricht. Das entstehende Wort als Ausdruck und Artikulation ist Inhalt der eindrucksvollen Szene. Inhalt des ersten ausgedehnten Happenings im Zusammenhang mit Christous „Epicycle“ war ebenfalls das Wort als Mittel der Kommunikation, das gedruckte Wort in Form einer Zeitungslawine, welche sich über die Bühne ergoß und die Teilnehmer zu erdrücken drohte. Provokation an das Publikum, Dialog mit der Jugend, Aktion und Suggestion waren die wesentlichen Faktoren dieses musikalischen Ereignisses, dem ein im allen Einzelheiten strukturierter und bedeutsamer Film von Cos-mos Xenakis als Gerüst diente. Audio-visuelle Elemente, Vorstellungen antiker Aufführungspraktiken und „action-rrausic“ bildeten die wesentlichen Merkmale der griechischen Werke. Th. Antoniou (1935) kombinierte sein stark orientalisch gefärbtes, durch Mikrointervalle, Tonschwankungen und -schwebungen fast in griechische Volksmusik hineinreichendes, von E. Blum überaus reizvoll dargebotenes Flötensolo aus „Katharsis“ mit Tonband, Filmprojektionen und Text, M. Adamis (1929) verarbeitete in seiner „Genesis“ sogenannte „cut-up“ (auseinanderge-schnittene) Gedichte von S. Beiles und A. Ronney zusammen mit Tanz, Film, Deklamation und drei verschiedenen Choraktionen, die auch eine elektronisch verfremdete byzantinische Hymne zum Vortrag brachten, G. Sicüianos (1922) ging mit seinem „Epiklepsis II“ für Sprecher, Chor, vier Solistinnen und 12 Instru-mentalisten auf den erprobten Epi-daurus-Stil zurück, um einige Szenen aus den „Persern“ von Aeschylus zu beleben und in seinem „Climate of absence“ für Bariton und Kammex-ensemble hielt auch Antoniou sich streng an die jüngste griechische Tradition der Textauslegungen, denen sich D. Dragatakis (1914) in seinem „Report to Elektro.“ für Sopran, Englischhorn, Bratsche und Klavier ebenfalls anschloß. Persönlichere Lösungen fanden N. Mamangakis (1929) für sein „Antinomies“ betiteltes Requiem, in welchem tragische Situationen durch grelle Kontraste beleuchtet werden, und G. Aperfiris (1945), der in seiner „Music for an Orange Girl“ Überlagerungen fremder (Bach, Chopin usw.) und eigener Strukturen unternimmt, mit Tonbändern abwechselt und mit durch einen gesprochenen und elektronisch verfremdeten Text angeregten Improvisationen kombiniert.

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