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Bayrische Orffik und Osterreichische Musik

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„Sprechtheater-Musik-Werk“, so kündet das Programmheft der Volksoper an, sei diese „B e r n a u e r i n“ von Carl O r f f, „Welttheater, daher Volkstheater ethischer Prägung wie auch — bei weltlichem Gesichte — ursakraler Bindung.“ Also weder Oper noch Musikdrama, noch Schauspiel mit Musik. Nicht nur die beiden Hauptfiguren (Agnes und der junge Herzog Albrecht) sind Sprechrollen, sondern auch alle übrigen sichtbaren Gestalten, bis auf einen welschen Spielmann in der Badstube zu Augsburg. Musik — die bekannten, stereotypen Orffschen Ostinatorhythmen, der bald volksliedmäßige, bald mehr jazzartige Singsang und die abwechselnd gregorianischen und bayrischen Melis-men — kommt aus dem Orchesterraum und von hinter der Bühne. Auf der Bühne wird vor allem g e-sprochen — und zwar in einem künstlerischen Altbayrisch — von meist sitzenden oder stehenden Personen, also im Stil des statisch-epischen Theaters. Das alles könnte man schön komponieren, am besten in Orffs Manier. Aber Orff wollte diesmal etwas anderes. Von den zwölf kürzen Szenen dieses Bilderreihendramas enthalten nur zwei größere Musiknummern: die erste und die letzte. In den übrigen wird das Schicksal der schönen Baderstochter aus Augsburg, die der junge Herzog Albrecht, letzter und einziger Sproß der Wittelsbacher Herzöge, liebt, und die, wie bei Hebbel, der Staatsräson zum Opfer fällt, vornehmlich berichtet. Auf der „ethischen Prägung“, die der Autor diesem Stoff verliehen haben soll, möge man lieber nicht insistieren. .Vorallem die böse Szene im zweiten Teil, wo ein fanatischer Mönch mit Rasseln und Bußpredigt eine ver-ängstigte Menge gegen die schöne „Hexe“ Agnes aufhetzt, hätte sich der bayrische Orffiker ersparen können. Bezeichnenderweise ist gerade sie — und die der Hexen, die schildern, wie die Bernauerin in der Donau ertränkt wird — dramatisch am besten gelungen. Und an wen richten sich die Litaneien des Volkes im letzten Bild?. Doch wohl an die zuvor als Hexe verbrannte „heilige“ Agnes Bernauerin? Man sieht: eine totale Verwirrung. Einige andere Szenen sind, trotz ihrer Kürze, ein wenig langweilig. Und trotz Käthe Gold und Fred Liewehr in den Hauptrollen, trotz Rott-Regie und Hollreisers temperamentvoller musikalischer Leitung ist bis zum 6. Bild (Ende des 1. Teiles) in diesem „bayrischen Stück“ so wenig geschehen, daß man es nicht wagen könnte (und es auch nicht wagte), hier eine Pause einzuschalten. Am Schluß gab es bei der Premiere starken Beifall: für den Autor und die bereits genannten Leiter der Aufführung, für den Schöpfer der strengen undt imposanten Bühnenbilder: R. Kautsky,für das Orchester und den durch Mitglieder des Singvereines verstärkten Volksopernchor.

Arn Abend der Orff-Premiere fand nicht nur das im folgenden Referat besprochene Konzert der OeGZM im Musikverein,, sondern auch — im Großen Saal des Konzerthauses — der Solotanzabend Harald Kreutzbergs statt. Unter dem Ehrenschutz von Kardinal-Erzbischof Dr. Innitzer zeigte der große Künstler hier seine „Tänze vor Gott“, die man — einzeln — bereits in früheren Programmen sehen konnte.

Mit subtiler geistiger Profilierung und hoher chorischer Kunst sang der Wiener Kammerchor unter Hans Gillesberger Anton Bruckners liturgische Motetten, die, -an den Maßen des Florianer Meisters gemessen, wie feingefeilte Epigramme wirken. Die anschließende Messe in Es-dur von Franz Schubert (Kammerchor, Singakademie, (Kammerorchester der Wiener Konzerthausgese'llschaft) wußte Gillesberger sowohl im Großen als in den Details ebenso klar und einheitlich zu gestalten. Der tragische Grundton dieses Werkes fällt immer wieder auf und steht wie die sehr freie Textbehandlung nicht auf der liturgischen Linie. Aus dem Solistenquintett lernte man in Georgia Laster und Gertrude Schretter neue und außerordentlich leistungsfähige Stimmen kennen. Die relativ dünne Streicherbesetzung kam gelegentlich gegen das schwere Blech nicht auf.

Das von Felix Prohaska geleitete 3. Konzert „Oesterreichisches Musikschaffen der Gegenwart“ im B.rahms-Saal gipfelte in Hanns I e 1 i n e k s Erstling „Präludium. Passacaglia und Fuge für Kammerorchester“, worin der Komponist überzeugend beweist, daß er den technischen und handwerklichen Apparat fulminant beherrschte, noch bevor er sich der Dodekaphonik zuwandte. Profilierte Themen, klarer Aufbau, wirkungsvolle Instrumentierung und vor allem persönliche Handschrift wurden jedenfalls in dieser Zusammenfassung, von den andere Werken des Abends nicht erreicht. Immerhin hat das kompromißloser Linearität entspringende 2. Konzert für Streichorchester, op. 19, von Max Haager stark persönliche Züge und musikalischen Tiefgang, der den beiden anderen musizierten Kompositionen, der Musik für Horn und Streicner, op. 19, von Armin Kaufmann und dem Gruppenkonzert Es-dur von Otto Sie.'gl, op. 141, bei aller handwerklichen Gekonntheit und musikantischen Unbekümmertheit im wesentlichen mangelt.

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