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Infidelio

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Bei den zahlreichen Gruppen, die sich im Laufe der letzten Jahre in London gebildet haben, um sich speziell dem Musiktheater zu widmen, ist es wirklich schwer einzusehen, warum Elisabeth Lütgens dramatische Szene Infidelio fast 20 Jahre auf ihre Uraufführung warten mußte. Man sollte eher meinen, daß jedes Ensemble das Stück mit Vergnügen in sein Repertoire aufgenommen hätte, aber es blieb der New Opera Company überlassen, die sieben „Szenen“ der Vergessenheit zu entreißen und auf die Opernbühne von Sadler's Wells zu bringen, obgleich sie eigentlich viel besser auf das Podium eines Konzertsaales gepaßt hätten. Leicht könnte man sich auch den intinfen Rahmen“ eines Studios vorstellen, in welchem der Mann die Seiten eines Photoalbums rückwärts durchblättert und die kurze Geschichte (35 Minuten) einer gescheiterten Liebe, die Elisabeth Lutyens in die Allegorie der vier Jahreszeiten gekleidet hat und die an dem Egoismus des Mannes und dem Unverständnis der Frau scheitert, an seinem inneren Auge vorüberziehen läßt. Tatsächlich greift auch Anthony Besch in seiner Inszenierung auf Photos zurück, die er auf eine Leinwand im Hintergrund projizieren läßt, während im Vordergrund die beiden Solisten in schwarzer Kleidung und blauer Beleuchtung fast unbeweglich den Vorgang in Ton und Wort schildern. Der Duktus ist ein erzählender, die Statik der Geste wird „dramatisch“ widerlegt.

Die sieben Szenen für Sopran, Tenor und Kammerensemble setzten sich aus zwei Rezrtativen (Winter), einem Duett, zwei Arien und einem

Rezitativ (Herbst) und je einem Duett für Sommer und Frühling zusammen. Das siebenköpfige Ensemble (Flöte, Klarinette, Fagott, Bratsche, Gitarre, Schlagzeug und Celesta) bildet einen äußerst flexiblen Klangkörper, der alle möglichen Zusammenstellungen zuläßt. Der schrille Einsatz der Bläser, von Vibraphon, Gitarre und Celesta, durch provokante Clusters akzentuiert, und das plötzliche Einsetzen eines unheimlichen Pianissimo mit abschließendem Gong und beklemmender Generalpause bilden den Auftakt: die Frau hat sich erhängt. Den Epilog bildet die vierzehntaktige Mmiouvertüre. Rücklaufend entfaltet sich von hier aus die tragische Liebesgeschichte.

Daß Elisabeth Lutyens sich streng an den Text hält, ist verständlich, denn sie hat das Libretto selbst verfaßt. Sie vertont ihn Silbe für Silbe, nur ein einziges Mal schwingt sich die Stimme mit einer weitausholenden Vokalise ins Freie: „Singe, meines Herzens Liebe, singe...“, es ist der Moment der erfüllten Liebe, der Sommer.

Das Werk entstand zwar bereits 1954, aber das Thema der Kommunikationsschwierigkeit und die Form des Musiktheaters sollten ihm eigentlich zu häufigen Aufführungen verhelfen. Alexandra Browning (Sopran) und John Winfield (Tenor) zeigten sich den anspruchsvollen Aufgaben in Bild und Ton in jeder Hinsicht gewachsen, die Photographie von John Haynes schien dem Leben entnommen und lieferte für die Szenen den roten Faden, das höchst kompetente New Opera Chamber Ensemble spielte unter der Leitung vpn Leon Lovett.

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