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Uraufführung einer Television-Oper

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Montclair (USA), Mitte Februar 1953 Vor kurzem brachten die Television-Produzenten der National Broadcasting Company die Oper „Die Heirat“ zur Uraufführung. Der Komponist des Werkes ist der 1890 in Böhmen geborene Bohuslav Martinu, der seit 1941 in den Vereinigten Staaten lebt. Nachdem Martinu vor dem Krieg schon als Opernkomponist hervorgetreten war, schuf er in Amerika seine erste Oper „Komödie auf der Brücke“. Sein neues Bühnenwerk, dessen Libretto in englischer Sprache ebenfalls von Martinu verfaßt wurde, beruht auf der gleichnamigen Komödie von Nikolaj Gogol. Trotz einiger Modernisierungen ist Martinus Libretto ganz im Geiste Gogols geschrieben. Vor dem Hintergrund einer leisen Resignation und Melancholie spielt sich die komische Geschichte einer Brautwerbung ab. Satirische, humoristische und gefühlshaft-lyrische Elemente verbinden sich zu einer harmonischen Einheit. Die vorwiegend heiteren Töne lassen uns aber nicht die geheime Trostlosigkeit des Lebens übersehen, die sich im Dasein des zaghaften und unentschlossenen Junggesellen manifestiert.

Martinus Oper ist geschrieben für ein kleineres Orchester von Streichern, zwei Oboen, zwei Klarinetten, Flöte, Fagott, zwei Trompeten, Tuba, Piano und Schlagzeug. Die Oper ist durchsetzt mit Sprecheinlagen und weist zahlreiche Ausdrucksmöglichkeiten auf. Neben Partien der Opera buffa finden wir lyrisch getönte Einlagen. Von gefühlsvollen Rezitativen entwickelt sich das Geschehen bis zu furiosen dramatischen Steigerungen. Hübsch ist, wie Martinus Musik Wechselweise das Geschehen mit Witz, Ironie und Sentiment kommentiert und dann flüssig weiterentwickelt.

Bei dieser Oper nach Gogol, die Wir als eine bedeutende Bereicherung des Opernspielplanes bezeichnen möchten, handelt es sich um eine einstündige Kurzoper. Das Werk, das sich zur Auffuhrung für jede reguläre Opernbühne eignet, wurde, Wie uns der Komponist gesprächsweise bekannte, in Hinsicht auf die Tele-vision geschrieben. „Die Heirat“ erlebte denn ihre Uraufführung auch in einer Vorstellung im Studio der National Broadcasting Company, das als das größte Studio der Welt bezeichnet wird. Die musikalische Leitung der hervorragenden Aufführung lag in den Händen von Peter Herman Adler. Die Fernsehaufführung erforderte natürlich eine von der Opernregie abweichende Dramaturgie. Die Fernsehdramaturgie, die sich langsam herauszukristallisieren beginnt, vereinigt in sich Elemente der Theater-, der Film- und der Rundfunk-Dramaturgie, bildet dabei jedoch eine eigene Form. Erwähnt sei etwa die der Bühnenoper unbekannte Möglichkeit der Groß- und Nahaufnahme. Wenn wir in einer Gesamtaufnahme beispielsweise die ganze Bühne zu überblicken vermögen, sehen wir den scheuen Liebhaber und die verschämte Jungfrau einander im Salon gegenübersitzen. Ihre Konversation geht die üblichen Wege des Konventionellen, die Spannung und Verlegenheit steigern sich. Der Mann trommelt nervös auf seinem Zylinder. Plötzlich sehen wir im Fernsehapparat nur noch die verspielten Hände auf dem Hut und gleichzeitig tönt aus dem Orchester als Echo ein leiser Trommelwirbel zurück. Diese Szene, mit der. wir unzählige andere Beispiele zitieren könnten, ist ein ausgezeichnetes Beispiel für die Möglichkeiten der Fernsehoper. Wichtig ist, daß es sich dabei nicht um eine gefilmte Opernkonserve handelt, sondern um eine Life-Sendung, das heißt um eine direkte Sendung. Die wesentlichste Leistung und ausschlaggebende Gestaltung ist die Arbeit des Television-Regisseurs. Dieser .sitzt hinter seinem Regiepult, umgeben von zahlreichen technischen Assistenten, und wählt aus den von vier Kameras aus verschiedenen Winkeln gleichzeitig aufgenommenen Bildern dasjenige aus, das im Augenblick am geeignetsten ist, um einen Einklanf von Wort, Musik und Bild zu ergeben. John Bloch führte eine einfallsreiche Regie, die den Absichten des Komponisten gerecht wurde; Seine exakte Bildmontage und der witzige Schnitt halfen entscheidend mit zum Gelingen dieser Uraufführung, die uns nicht nur mit einer neuen Oper bekanntmachte, der wir bald auch auf den europäischen Spielplänen zu begegnen hoffen» sondern auch zeigte, daß im neuen Ausdrucksmittel der Tele-vision noch manche nicht erschlossene Möglichkeiten künstlerischer Gestaltung liegen.

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