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Janacek-Oper in London

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„Die Sache Makropoulos“ ist die vierte Janäcek-Oper, die in England über die Bühne geht, und tatsächlich beginnt Janäüek, sich hier ganz besonderer Beliebtheit als Opernkomponist zu erfreuen.

Dabei ist gerade „Die Sache Makropoulos“ ein besonders problematisches Stück, und als Janäcek sich im Jahr 1921 — anläßlich der Aufführung des Theaterstückes gleichen Namens von Karel Capek — entschloß, diesen Text als Vorlage für eine Oper zu benutzen, gab der Autor' selbst zu bedenken, daß der Inhalt zu prosaisch und der Text zu^sehr auf Dialog angelegt sei. um sich für fin Musikdrama zu eignen. Zaubertrank, Erbfolge, die üblichen Verwechslungen und Verwirrungen, all diese Elemente sind hier vertreten, obgleich es sich letzten Endes vor allem darum handelt, ein verlorenes Dokument aufzustöbern, welches das Rezept des Lebenselixiers enthält — fast könnte man von einem Detektivroman sprechen. Der Tod der Heldin Emilia, nach einem abenteuerlichen und auf Grund des Zaubertrankes nicht enden wollenden Leben, bedeutet Erlösung, und es siegt die Natur, die man walten lassen sollte, ohne einzugreifen. So verschieden auch der Inhalt von der vorhergehenden Naturoper vom klugen Füchslein ist, so findet man auch dort, wie das Leben den Tod überdauern kann, wie das kleine Füchslein nach seinem Tod in der Tochter weiterlebt und wie in der Natur der Wandel herrscht — ohne Ende.

Und so ist auch im Gesang und vor allem im gesungenen Dialog Wandel, stetes Fortschreiten und kein Ende. Jeder der drei Akte beginnt beschreibend, in erzählender Manier, und führt zu höchst dramatischen Szenen, bis zum Schluß die Heldin das Elend der Unsterblichkeit besingt und sich dem Tod hingibt.

Gewiß ist Janäcek ein Meister des musikalischen Nationalismus, aber dieser beschränkt sich durchaus nicht auf Böhmen und seine schönen Weisen. Mit einem geschickten Federstrich gelingt es ihm genauso, die iberische Musik heraufzubeschwören in einer Szene, in welcher einer der früheren Liebhaber von Emilia in ihr Eugenia Montez wiederfindet und sie gemeinsam spanische • Er-, innerungen erwecken. All das ist -diskret und meisterhaft durchgeführt, und als echter Theatermann versteht Janäcek es, mit derartigen Episoden die Bühne zu beleben und trotzdem nie zu weit von dem eigentlichen Inhalt abzuschweifen. Gewiß ist es teilweise ein literarischer Inhalt, der Vorbereitung verlangt, jedoch sind die Dialoge für ihn eher Anregung als Hindernisse.

Kaum 13 Jahre sind es her, daß zum erstenmal eine Janäcek-Oper in London aufgeführt wurde, und das Publikum war damals anfangs befremdet, ja bestürzt und begriff nicht, daß die Musik eines 1928 gestorbenen Komponisten so „modern“ klingen könnte. Marie Collier versteht es, die eigenartige Hauptrolle mit derselben Musikalität und dem gleichen Temperament zu gestalten, mit dem sie vorher die Katarina Ismailova verkörperte. Ihr zur Seite standen Raimund Herincx und Eric Shilling sowie Charles Mackerras als Dirigent, Motley als Bühnenzeichner und John Blatchey, dessen Regie allgemeine Bewunderung erregte.

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