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Historische Romane

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Auf dem Gebiet des doch recht problematischen „historischen Romans” sind Emil Belzners Publikationen Lichtpunkte, weil er die Möglichkeiten dieser Iit&rariĄęhety ..Gattung nicl ,zu,,sriRkąjjĮįcĮicę,,jqpjajtjp tisierenden Abänderungen der Wirklichkeit . .miß- braucht, sondern mit der Freiheit, die sie gestattet, das eigentliche Wesen seiner geschichtlichen Gestalten klarer herauszuarbeiten weiß.

lieber Kolumbus hat Belzner schon 1933 seine schöne Novelle „Kolumbus vor der Landung” geschrieben. Der gleiche ungeheure Augenblick, der Großadmiral unmittelbar vor der Landung in dem neu entdeckten Erdteil, ist Ausgangspunkt auch für den vorliegenden Roman. Er läßt ihn für Kolumbus zur erleuchteten Sekunde werden, in der entscheidende Phasen seines Lebens aus der Erinnerung auftauchen und den erschreckenden Zwiespalt zwischen Macht und Liebe, zwischen Wunschtraum und Wirklichkeit offenbaren, der jedes große irdische Ziel verdunkelt. Da tritt also in der Schicksalssekunde die Vergangenheit an Christoph Kolumbus heran, in der Gutes und Böses eng verknüpft sind und beides in ungewöhnlichen Ausmaßen.

Der Knabe wird wieder lebendig, der die Freiheit und Gerechtigkeit liebt, der sich zu den Erniedrigten hingezogen fühlt: und der Mann, dem später, besessen von dem Plan seiner Westfahrt, jedes Mittel recht ist, das ihn der Verwirklichung seines Zieles näher bringt. Nur Juana gegenüber, die schon als kleines Mädchen sein Leben schicksalhaft bestimmt, als sie ihn spielerisch zu ihrem großen Seefahrer erwählt, und die immer wieder, flüchtig und doch entscheidend, seinen Weg kreuzt, nur ihr gegenüber wird er, wenigstens vom Blickpunkt des Herzens, nicht schuldig. Sie bleibt ihm reines Leitbild des Weiblichen, auch noch als „alte aufgetakelte Hafenpuppe” — sehr zum Unwillen der „Gerechten”.

In großartigen Bildern rollt Belzner rückblendend dieses Leben des Kolumbus auf, das durch die Belehrungen seines Schutzengels Malachias noch von einer anderen als der menschlichen Ebene gedeutet wird. Da ist die Nacht im Chausseehaus, in der der Knabe, magisch angezogen, die Land- und Sternkarten eines toten Astronomen betrachtet; die erste Begegnung mit dem jüdischen Wucherer Daniel, der doch ein frommer Mann ist: der gespenstische Einbruch der Aussätzigen in Christophs Heimatstadt und sein Besuch in ihrem Asyl, der ihm sein Vaterhaus kostet. Die dunklen Sklaven- und Geldgeschäfte dann später, um die Mittel für die Westfahrt zusammenzubringen: das- Anwerben der Verlorenen ohne Ausweg, „der Hefe, des Bodensatzes”, für seine große Fahrt — alles Bilder voll dunkler Melancholie, die selbst den Rausch der Besessenheit für das große Ziel übertönt, und auch den sehr irdischen Rausch, der in diesem Leben nicht fehlt.

Ebenso packend wie Belzners „Kplumbus” — trotz der ganz anderen Stilmittel und Zielsetzung — ist Ann Tižia Leitichs Maximilian- Roman. Die Autorin, die ja schon verschiedentlich ihre Begabung für die Darstellung geschichtlicher Stoffe erwiesen hat, will nicht nur die Gestalt des großen Kaisers einem modernen Leserkreis zugänglich machen, sondem gibt gleichzeitig ein äußerst lebendiges Bild seiner Epoche, dieser Wende zwischen Mittelalter und Renaissance, mit all ihren Spannungen und Neurungen, auf .politischem, geistigem, religiösem und,..wirtschaftlichem Gebiet,, die einerseits Maximilians Wesen und Werk mitbestimmen und auf deren Entwicklung anderseits er als geniale Persönlichkeit mit weitgespannten Beziehungen Einfluß gewinnt. Dieser „letzte Ritter” erweist sich hier als Herrscher von großem politischen Weitblick, als bewußter Streiter für eine universale europäische Einheit, dessen kluge Ostpolitik und Bemühungen um einen großangelegten Türkenfeldzug den staatspoliti- schen Erkenntnissen seiner Zeitgenossen weit voraus sind. Und wie es der Autorin gelingt, den Menschen Maximilian vor uns zu stellen! Diesen ewig Reisigen, der kaum aus dem Sattel kommt, keinen festen Wohnsitz hat und doch so gern im Kreis einer großen Familie gelebt hätte; dem das Schicksal so früh in Marie von Burgund die sehr geliebte und ihm ganz gemäße Gefährtin nimmt, und mit ihr zunächst auch seine Kinder und die burgundischen Länder, der Kunst und Wissenschaft und dem bunten fröhlichen Leben von Herzen zugetan ist und trotz aller Unbill, Mühsal und Enttäuschungen sich ganz bewußt bemüht, darüber weder hart noch grausam noch traurig oder verzweifelt zu werden.

Belzner. Kurt-Desch-Verlag, Wien. 316 Seiten, anatapfel. Ein Roman der Wirklichkeit. Von Hamburg. 340 Seiten, 23 Abbildungen

Historie — lebendig und amüsant im Detail, dabei zuverlässig und treu der geschichtlichen Wahrheit in den Grundzügen — diese glückliche Verbindung findet man nicht allzu häufig. In Ann Tižia Leitichs Buch ist sie gelungen, das übrigens auch in bibliophiler Hinsicht eine besonders schöne Gabe ist.

Stella. Roman von Jan de H a r t o g. Lizenzausgabe für „Welt im Buch”. Verlag Kurt Desch, Wien- München 1955. 320 Seiten. Preis 26 S.

Krieg (und damit verbunden: Gefahr, Kampf, Bewährung und Tod) und Liebe (und damit wieder verbunden: Gefahr, Kampf, Bewährung und Tod) sind zwei Themen, die so alt sind wie der Mensch. Seine ältesten Epen haben über sie gehandelt, und solange es Romane gibt, wird immer wieder über sie geschrieben werden. Es ist das Verdienst des Holländers Jan de Hartog, in durchsichtig klarer, ja transparent werdender Sprache diese Dinge neu zu behandeln (als wäre er der erste, der es täte) und sie in inniger Weise miteinander zu verschlingen, wie wir Krieg und Liebe selten verwoben finden in der Literatur unseres Jahrhunderts.

„Stella” ist der erste Band der Trilogie „Die Ge- leitzug-Kantate”, deren weitere Bände „Mary” und „Thalassa” heißen; Stella ist ein hübsches, rätselhaftes Mädchen, die Geliebte dreier holländischer Kapitäne, die auf verlorenem Posten stehen (sie haben die Aufgabe, getroffene Frachter aus den Geleitzügen mit höchst mangelhaft bewaffneten Schleppern nach England heimzubringen) und die nacheinander in den Tod fahren. „Stella” ist ein Bestseller und eine Dichtung zugleich, reißerisch und tiefgründig, einfach und rätselvoll wie die Frau, von der das Buch erzählt. Es ist faszinierend, mitzuerleben, wie Liebe, Träume und Sehnsucht die Umsicht und Entscheidungskraft eines (des vierten) Kapitäns lähmen und ihm die Welt des Krieges und der Gefahr in verklärtem Licht sehen lassen, solange, bis diese Liebe beinahe auch in seinen Tod gemündet hätte. Ein hervorragendes Buch; eines der besten (neben den Werken der so ganz anders gearteten Vercors oder James Jones etwa), das bisher über den vergangenen Krieg von „der anderen Seite” zu uns gekommen ist.

Arthur Rimbaud: Gedichte. Uebertragen von K. L. Ammer. Mit einem Geleitwort .von Stefan Zweig. 72 Seiten. Insel-Bücherei Nr. 592. Im Insel- Verlag, Wiesbaden.

K. L. Ammer ist das Pseudonym des pensionierten Oberstleutnants Karl Klammer, der heute noch in Wien lebt. Als Leutnant hatte er sich, wie Alexander Lernet-Holenia berichtet, in entlegenen galizischen Garnisonen mit der Uebertragung einzelner Gedichte von Villon und Rimbaud beschäftigt. Seine Ueber-

tragungen der Gedichte Rimbauds erschienen zuerst 1907 im Insel-Verlag — damals noch in Leipzig! — mit einem Geleitwort von Stefan Zweig, in dem dieser ein kleines Meisterstück seines Einfühlungsvermögens gab. Seither sind beinahe fünf Jahrzehnt vergangen und es liegen inzwischen Uebertragungen von Karl Berisch, Stefan George, Walther Küchler, Alfred Wolfenstein, Paul Zech u. a. vor. Aber wi das mit Uebertragungen so ist: dem einen Ueber- setzer liegt das eine Gedicht mehr, dem anderen ein anderes, und so sind jedem von ihnen einig gültige Eindeutschungen gelungen; und manche davon stammt — nach wie vor — von K. L. Ammer. Aber vergessen wir nicht, daß er der erste war, dessen Uebertragungen publiziert wurden! — Di Neuausgabe bringt einige der schönsten Gedicht Rimbauds, leider steht nichts von den „Illuminations und der „Saison en Enfer” in dem kleinen Bändchen.

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