6860318-1977_33_12.jpg
Digital In Arbeit

Englischer OPernsommer

Werbung
Werbung
Werbung

Mitten im Sommer, während die meisten Opernhäuser europäischer Großstädte längst geschlossen waren, fanden in London drei Opempremieren statt. Zweider Werke begnügten sichmit einem Kammerensemble und einer kleinen Anzahl von Sängern.

Die Ausnahme war die neue, dreiaktige Oper von Sir MichaelTippett, „Wenn das Eis bricht“; außer sieben Sängern, großem Chor und Ballett benutzte er in dieser viertenundangebächletztenOper ein Orchester mit verstärktem Schlagzeug, das mit seinem reich besetzten tiefen Blech den dröhnenden Klang des brechenden Eises darzustellen, mit elektrischen Gitarren die Massenszenen amerikanischer Rassehkämpfe zu illustrieren und anderseits teils mit üppigem Streicherklang, teils mit zarten Holzbläsern die zum Teil äußerst intimen Liebessze- nen zu begleiten hatte. Während sich „das Volk“ in amerikanischem Rock erging, gab es für die Sänger ausgedehnte Arien, so daß alle avfihreKosten kamen.

DasvonTippett selbst verjbßteLibretto über den Konflikt zwischen Generationen, Rassen und Ideologien schildert in drei Akten (je etwa 25 Minuten) das Schicksal von Menschen, die schuldlos politisch verfolgt werden, in blutige Aufstände geraten und nach schweren Opfern zuToleranz undVersöhnung finden. EinTeam hervorragender Sänger und das bewährte Opemorchester unter Colin Davis trugen beträchtlich zum durch schlagenden Erfolg der Uraufführung im Königlichen Opernhaus von Covent Garden bei.

,Per sanfte Geist“, die neueKurzoper von John Tavener (geboren 1943), stützt sich auf nur zwei Sänger (Elise Ross, Sopran und Kenneth Wooland, Tenor), die vor allem in ausgedehnten Monologen zu hören sind, und auf ein 12-Mann Orchester (das Nash Ensemble), das mit geringen Mitteln äußerst prägnante Eindrücke vermittelt. Das Libretto Gemrd McLar- nons, nach einerKurzgeschichte Dostojewskis, schildert den Selbstmord einer jungen Näherin, diewährend des Sturzes1 aus dem Fenster eine Ikone umklammert hält. DiemusikalischeAusdeutung dieses Sturzes - Holzbläser- und Klavierkaskaden mit ausgiebiger Perkussion - bilden den wesentlichen Bestand der Partitur. Siebenmal erlebt man den Sturz und hört gleichzeitig (elektronisch) die Stimme des sanften Geistes, der um dasHeil seiner Seele betet. Dazwischen wird in verschiedenen Szenen der Zusammenbruch der tragischen Ehe ausgespielt. Das wirkungsvolle Stück ist nicht frei von Melo- dmmatik, aber Mark Eider, der Dirigent, verstand es, auszuweichen und die Partitur zu maximaler Geltung zu bringen.

„Das Martyrium von St. Magnus“, die Kammeroper von Peter Maxwell Davies, dievor einigen Wocheninder St.Magnus KathedmlevonKirkwall, auf einer der Orkney-Inseln, uraufgeführt wurde, war jetztin einem der Londoner ,Rrom“ Konzerte zu hören. Die Operwurde von dem dort lebenden Komponisten für die Bewohner der Inseln geschrieben und ist dem Andenken eines Heiligen geweiht, der sich im frühen 12. Jahrhundert zu totalem Pazifismus bekannte und bereitwil lig das Opfer des Martyriums auf sich nahm.

Das Werk ist in die Form eines mittelalterlichen Mysterienspiels gekleidet und schildert mit sparsamen Mitteln - 5 Sänger, 10 Instrumentalisten saune wenige, bescheidene Requisiten - die verschiedenen Episoden, die zumTodamMarter- pfahl führten. Musikalisch versucht Maxwell Davies, die engen Beziehungen zwischen Mittelalter und Gegenwart aufzuzeigen und der manchmal karge, stets gespaltene und seinem polyphonen Stil angepaßte Klang kommt dem archaischen Charakter der Aufführung zugute.

Bei beiden Aufführungen dirigierte der Komponist sein eigenes Ensemble, ,(The Fires of London“, und ein ausgesuchtes Sänger-Team, dessen Leistungen anhaltenden Applaus ernteten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung