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Zwischen Andalusien und Paris

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Mit ihrem bekannten Flair empfand Lina Lalandi, die unermüdliche Förderin zeitgenössischer Musik, daß Manuel de Falla trotz der geringen Anzahl seiner Werke zu den großen unserer Zeit gehört und gedachte seiner in drei „Manuel de Falla Cente-nary Concerts“, die sie in ihr diesjähriges English Bach Festival einbaute.

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Mit ihrem bekannten Flair empfand Lina Lalandi, die unermüdliche Förderin zeitgenössischer Musik, daß Manuel de Falla trotz der geringen Anzahl seiner Werke zu den großen unserer Zeit gehört und gedachte seiner in drei „Manuel de Falla Cente-nary Concerts“, die sie in ihr diesjähriges English Bach Festival einbaute.

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An Hand dieser Konzerte war es möglich, nicht nur de Fallas Entwicklung zu verfolgen, sondern auch seine Rolle in der Musik des 20. Jahrhunderts zu ermessen. Rückblickend fragt man sich manchmal, welche Konstellation dazu geführt haben mag, daß innerhalb von acht Jahren fünf maßgebende „Schöpfer der Neuen Musik“ zur Welt kamen: 1874 Arnold Schönberg, mit dem der musikalische Expressionismus beginnt; 1875 Maurice Ravel, in dem sich der musikalische Impressionismus erfüllt und 1876 Manuel de Falla, der die Erneuerung der Volksmusik vollzieht; 1881 Bela Bartök, großer Kenner und Erfinder einer imaginären Folklore und 1882 der Neo-Klassiker Strawinsky. Es war ein seltsamer Zauber, der diese Zeit beseelte und dreißig Jahre später eine einzigartige Blüte hervorbrachte.

Während dieser entscheidenden Jahre, die durch die Premiere von Schönbergs „Pierrot Lunaire“ (1912), Strawinskys „Sacre du Printemps“ (1913) und Debussys „Jeux“ (1913) geprägt sind, lebte de Falla in Paris und verkehrte mit Claude Debussy und Maurice Ravel, Paul Dukas, Igor Strawinsky, Isaac Albeniz und Ricardo Vines, Ernest Ansermet und Pablo Picasso, den „Trägern des neuen, antiromantischen Stils“. Wie sie verabscheute er jeglichen Bombast, setzte seine Werke für kleine Besetzung, schrieb für Ballett und Wanderbühne. Während des Krieges wurde er von Serge Diaghilew „entdeckt“, 1919 von der Princesse Ed-mond de Polignac mit einem Auftrag bedacht und war 1922 bei dem ersten Festival der „Internationalen Gesellschaft für Neue Musik“ in Salzburg mit einigen spanischen Melodien vertreten, kurzum: er gehörte dazu und er war dabei, war „with it“, wie man heute sagen würde.

Seine Laufbahn bewegte sich zwischen zwei Polen: Andalusien und Paris. Die wichtigsten Einflüsse stammten von Felipe Pedrell, Claude Debussy und Igor Strawinsky, und sein Weg führte von spanischem Nationalismus zu klassischem Universalismus. Aus dem „petit espagnol tout noir“, wie Debussy ihn 1937 beschrieb, wurde nicht nur ein „homme du monde“ der Salons, sondern ein Weltbürger.

„La Vida Breve“ (1904), eine anda-lusische Volksoper mit veristischem Anstrich, wurde in der Royal Festival Hall zwar konzertant, aber mit einem echten Flamenco-Sänger (Ma-nolo Mairena) und einer südamerikanischen Tänzerin (Lucera Teno) aufgeführt. Enriqueta Tarres sang die Hauptrolle und mit Rafael Frühbeck de Bürgos als Dirigenten war eine authentische Wiedergabe verbürgt. Auch die „Nächte in Spanischen Gärten“ erklangen in ihrer ganzen sprühenden Pracht. Es war das letzte Werk der Pariser Zeit, die 1914, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein plötzliches Ende nahm.

„El Amor Brujo“, die Zauberliebe, entstand in Madrid kurz nach der Rückkehr in die Heimat auf Anregung der Tänzerin Pastora d'Imperio, einer Zigeunerin, für die de Falla andalusische Zigeunerweisen zusammentrug und sie mit Canto Jodo durchsetzte. Die konzertante Aufführung dieses Balletts wurde allerdings in den Schatten gestellt durch die szenische Wiedergabe des „Re-tablo del Maese Pedro“, für die Miß Lelandi ein Puppentheater, einen verblüffenden spanischen Knaben-Erzähler und zwei Sänger mobilisiert hatte. Michael Lankester und seine Contrapuncti-Ensemble verstanden es, den Ubergang von lokal-andalusischer Volks- zu altspanisch-kästilischer Kunstmusik hervorzuheben und die Anklänge an Stra-winsky zu unterstreichen. Die Inszenierung begegnete allerseits lebhaftem Beifall.

Gerade mit den beiden Werken, die im Auftrag von berühmten Solisten geschrieben wurden und als Höhepunkt seines Schaffens gelten, hatte de Falla kein Glück. Das Konzert für Cembalo und fünf Instrumente, dessen neo-klassizistische Kühle von Trevor Pinnock besser zum Ausdruck gebracht wurde als ihr inneres Feuer, wurde 1926 von Wanda Landowska wegen seiner klanglichen Kühnheit abgelehnt und die „Fantasia Beatica“, de Fallas größtes Klavierwerk, wurde zwar, wie vorgesehen, von Arthur Rubinstein uraufgeführt, verschwand jedoch bald von seinem Repertoire. Während der junge englische Pianist Alexander Abercrombie im Purcell Room mit einer temperamentvolle Wiedergabe des Stückes das „De Falla Centenary“ abschloß, spielte Rubinstein nebenan, in der Royal Festival Hall, das Klavierkonzert von Schumann. Nach wie vor lebt er in der Vergangenheit, während de Falla sich mehr denn je als ein Künstler der Gegenwart bewährte.

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