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Die Projektion einer Neurose

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(Schauspielhaus Bochum im Akademietheater, Wien; „Der Schein trügt" von Thomas Bernhard) Eine Frau ist gestorben. Zwei Brüder blieben zurück. Was Menschen nicht denken, wird hier gesagt. Alles Widersprüchige in Beziehungen, Ausgeliefertsein und egoistisches Kalkül, Unterdrückung und Zärtlichkeit. Ein Dichter muß es schwer haben mit sich und noch schwerer, weil er sich nichts vormacht, um sein Lebensthema so beharrlich fortschreiben zu können.

Wer dieses Fleischwerden eines Textes in Bernhard Minetti erlebt hat, denkt vielleicht anders über den Konflikt Thomas Bernhards mit Wien, der so absurd und irrational erscheint. Der Autor gab nachher Autogramme. Er hat nichts gegen die Wiener. Er hat etwas gegen sich selbst. Er wird diesen Kampf austragen, so lang er lebt. Und wir werden daran teilhaben, so lang er schreibt. Dichterischer, den „Unbeteiligten" radikaler sich selbst konfrontierend, hat selten einer gegen sich gewütet.

In der gewaltigen Projektion der Bernhard'schen Neurose auf die Welt erkennt die so viel von sich, daß sie in die Bewunderung flieht, oder ins Lachen.

Höchster Beweis für die Qualität der Regie von Claus Peymann: Man kann sich fragen, wozu die Schauspieler Bernhard Minetti und Traugott Buhre ihn eigentlich gebraucht haben. Da ist keine Geste und kein Gang zu viel.

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