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Die Sensation

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Der Fernsehabend war so gut wie gelaufen. Die ,J?ami-lie Merlan“, Jörg Mauthes Kleinbürgersaga mit Problemchenbewußtsein, war durch. Ebenso die ,^Zeit im Bild“ mit der gewohnt stu-diosterilenNachrichtenwirk-lichkeit.

Die Werbebotschaften waren wie gehabt auf Raten aufgenommen und verdaut. Der neue Kitschhii aus dem Schwarzwald-Reich der weißen Götter in der jetzt schon gewohnten 45-Minuten-Do-sis geschluckt.

Ein Fernsehmontag wie jeder andere also, viel Neues und doch nichts Neues.

Doch dann kam die Sensation, jener Beitrag, der den alltäglichen Fernsehabend doch unverwechselbar machte. Dabei deutete der Start von ,JZiB 2“ noch gar nicht auf das kommende Ereignis hin.

Die Topmeldung, der überlebende Tourist auf dem Dachstein, nach 23 Tagen noch lebend aus dem Eis geborgen, war schon in der Zeitung von morgen ausführlich zu lesen, der Beitrag über die Tücken des Dachsteingletschers eher eine lieblose Story.

Dann allerdings folgte das Interview mit dem überlebenden Amerikaner. Ken-neth Thomas Cichwich gab im Krankenbett Auskunft über seine Tage im ewigen Eis. Er erzählte von seinem Unfall, von seinen Ängsten, den Selbstmordgedanken. Von seiner quälenden Einsamkeit, während er in zwei Kilometer Entfernung Skifahrer hörte, von seiner Liebe zu den Alpen.

Plötzlich war wirkliches Leben am Bildschirm. Vielleicht weil der Interviewer die richtigen Fragen stellte, und die Kamera nicht versuchte, Sensationen anzufangen.

Wahrscheinlich aber auch, weil der Beitrag unter Zeitdruck entstanden, nicht die Sterilität perfekt gemachter Information ausstrahlte.

Das Ergebnis jedenfalls sollte man analysieren — und daraus lernen.

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