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Die Städte explodieren

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Welche Fülle von Information im neuesten UNO-Bericht über die soziale Lage der Bevölkerung auf der Welt auf 493 Seiten! Unmöglich auch nur halbwegs einen Uberblick zu geben. Daher im folgenden nur einige Schlaglichter.

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Welche Fülle von Information im neuesten UNO-Bericht über die soziale Lage der Bevölkerung auf der Welt auf 493 Seiten! Unmöglich auch nur halbwegs einen Uberblick zu geben. Daher im folgenden nur einige Schlaglichter.

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Weltweit sinkt derzeit die Geburtenfreudigkeit. Europa und Nordamerika verzeicn-nen bereits Fruchtbarkeitsraten, die auf lange Sicht zu einem Sinken der Bevölkerung führen werden. Aber auch in den Entwicklungsländern nehmen die Geburtenraten ab.

Weil diese aber zum Teil immer noch recht hoch sind, wächst die Bevölkerung in der Dritten Welt weiter. Das ergibt einen starken Anstieg des Arbeitskräfteangebots, dem unzureichende Beschäftigungsmöglichkeiten gegenüberstehen. „Mehr als eine Milliarde Jobs werden in den neunziger Jahren geschaffen werden müssen”, hält der Bericht fest. Allein in Schwarzafrika sollten es jährlich sechs Millionen sein.

Das Arbeitsplatzproblem ist deswegen so akut, weil in den Ländern der Dritten Welt die Städte geradezu explodieren. „Die Städte und Zentren sind weit über die Fähigkeit der örtlichen Begierungen, auch nur die lebenswichtigsten Infrastrukturleistungen bereitzustellen, gewachsen.” So der Bericht.

Dazu einige Zahlen: Während sich die städtische Bevölkerung in den Industrieländern zwischen 1950 und 1990 etwa verdoppelt hat, registrierte man im selben Zeitraum in den Ländern der Dritten Welt einen Anstieg auf mehr als das Fünffache, von 285 Millionen auf 1,6 Milliarden Menschen. In Lateinamerika leben heute 72 Prozent der Bevölkerung im städtischen Baum. 1990 lebte bereits jeder dritte Erdenbewohner in einer Agglomeration mit mehr als einer Millionen Einwohnern, 13 Prozent sogar in Ballungszentren mit mehr als fünf Millionen! Unter den zehn größten Städten liegen sieben in der Dritten Welt. Mexiko-City führte 1990 die Liste mit 20,2 Millionen Einwohnern an. Und das Wachstum hält an: drei Prozent jährlich oder mehr.

Wohin mit den Abfällen?

Diese Verstädterung bringt eine Fülle von Problemen. Eines der größten davon: Wohin mit den Abfällen? Für einen Großteil der Bevölkerung gibt es weder Abfallentsorgung, noch Kanalisation. Das Problem ist besonders akut, weil die Ballungsräume auch Zentren der Industrialisierung sind. Luft- und Wasserverschmutzung erreichen unvorstellbare Ausmaße. Die Versorgung dieser Millionen mit Brennstoffen führt zu Ab-holzungen im großen Stil, was wiederum Bodenerosion produziert und Unfruchtbarkeit fördert.

Darüberhinaus sind die Urbanen Gebiete der Dritten Welt auch Zentren der Armut. Von 100 während der zweiten Hälfte der achtziger Jahre in den Ballungszentren der Dritten Welt neubegründeten Haushalten sind 72 Prozent in Slums beheimatet (in Afrika liegt der Anteil bei

92 Prozent). Der Bericht schätzt, daß heute 1,2 Milliarden Menschen unter jämmerlichsten Wohnbedingungen leben: Behausungen aus Karton, Plastik, Textilien ...

Auch der Immigrationsdruck in die Industrieländer hat zwischen 1987 und 1990 stark zugenommen. Die Öffnung des Ostens nach dem Zusammenbruch des Kommunismus war eine der Hauptursachen für diese Entwicklung. Deutschland geriet dabei besonders unter Druck (1,5 Millionen im Jahr 1989 im Vergleich zu 600.000 Mitte der achtziger Jahre). Allerdings ist auch Einwanderung in die USA stark gestiegen (von 640.000 im Jahr 1988 auf 1,5 Millionen zwei Jahre später). Erstmals verzeichnen auch Japan und Taiwan eine größere Zuwanderung. Diese hat andererseits im Gefolge des Golfkrieges in den westasiatischen Baum nachgelassen.

In Europa hat sich in den letzten 20 Jahren die Zusammensetzung der zugewanderten Bevölkerung stark verändert. In den siebziger Jahren kamen die Gastarbeiter überwiegend aus Südeuropa. In den achtziger Jahren ergab sich eine Verschiebung in Bichtung außereuropäischer Zuwanderer (in Frankreich aus den Maghreb-Staaten, in Deutschland aus der Türkei).

Neben den ökonomisch bedingten Wanderungsbewegungen gibt es weltweit ein riesiges Flüchtlingsproblem. 1990 waren 17 Millionen auf der Flucht (1980: 9,6 Millionen). Allein die Krise im Persischen Golf löste eine Flüchtlingsbewegung von fünf Millionen und der Krieg im früheren Jugoslawien eine von zwei Millionen Menschen aus. Viele Menschen sind auch im Zuge der Auseinandersetzungen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion in die Flucht getrieben worden. Nicht übersehen werden sollte allerdings, daß es allein in Afrika 5,7 Millionen registrierte Flüchtlinge gibt. Ihre Situation ist zum Teil katastrophal.

Die Ursachen dafür sind leicht festzumachen: Bewaffnete Auseinandersetzungen prägen weiterhin das Bild. Allein in den Jahren 1989 und 1990 waren es 33. Ein Überangebot von ^billigen Waffen” hat ethnische Konflikte in vielen Staaten blutiger werden lassen. Was als innerstaatlicher Konflikt beginnt, wächst sich leicht zur internationalen Krisen aus. Gegen diese steigende grenzüberschreitende Bevölkerungsbewegung werden immer mehr Einreisehindernisse errichtet. Im Bericht kommt die Besorgnis zum Ausdruck, daß sich auf längere Sicht die Flüchtlingspolitik weltweit drastisch verhärten könnte.

Nähere Informationen

Economic and Social Council- „Social Development”: 199) Report on tke World Social Situation

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