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Die totale Verwirrung

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Auch Tage danach herrscht in der Affäre rund um die Uberstellung des ehemaligen SS-Sturmbannführers Walter Reder aus der italienischen Kriegsgefangenschaft nach Osterreich in den zuständigen Ministerien heillose Verwirrung.

Wo immer man nachfragt, ob im Außenamt, im Innenministerium, bei den Justizbehörden oder gar im Verteidigungsministerium: Niemand weiß genau Bescheid über den Inhalt der Vereinbarungen zwischen österreichischer und italienischer Regierung. Ja: Nicht einmal über den rechtlichen Status Walter Reders besteht Ubereinstimmung bei den Behörden.

Relativ einfach noch fällt die Beantwortung der Frage, warum der frühere Offizier in Adolf Hitlers Leibarmee, der SS, nunmehr Gastrecht in einer Kaserne des österreichischen Bundesheeres genießt: Reder wurde ausschließlich aufgrund einer diesbezüglichen Weisung des Ministers für Landesverteidigung mit heereseigenem Fluggerät transportiert und später in einer Kaserne und in Sanitätseinrichtungen des österreichischen Bundesheeres untergebracht.

Gegen eine solche Ministerweisung darf zwar vom Befehlsempfänger protestiert werden, dies ändert jedoch nichts an der Pflicht, der Weisung vollinhaltlich nachzukommen.

Unbestritten ist auch noch, daß Walter Reder die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Seit 1955, seit einer Zeit also, in der er bereits als Kriegsverbrecher in Italien verurteilt worden war.

Noch nicht 20 Jahre alt, hatte Reder Osterreich 1934 in Richtung Nazi-Deutschland verlassen. Ob er nun die reichsdeutsche Staatsbürgerschaft gültig erworben hat und warum er dieser wieder für verlustig erklärt wurde, liegt nach wie vor im dunkeln.

Als österreichischer Staatsbürger mußte Reder von den österreichischen Behörden nun übernommen werden, selbst wenn er bloß „abgeschoben” worden wäre und sich nicht in Besitz eines gültigen Reisepasses befunden hätte.

Was die Tatsache anlangt, daß Reder eigentlich noch bis Juli 1985 in Internierungshaft der italienischen Militärbehörde hätte bleiben müssen, stellt sich nun für Osterreich die Frage, ob er bis zu diesem Zeitpunkt in behördlichem Gewahrsam zu halten ist. Das einschlägige Rechtshilfeabkommen sieht diesbezügliche Regelungen vor. Allerdings muß eine solche Rechtshilfe - bei rechtskräftig verurteilten Bürgern - die Justizbehörde vollziehen.

Das österreichische Bundesheer kennt jedenfalls keine gesetzlichen Bestimmungen zur weiteren Verwahrung von im Ausland verurteilten Kriegsverbrechern. Reder ist zweifelsfrei auch nicht Angehöriger des österreichischen Bundesheeres. Für das österreichische Militär ist er ganz normaler Zivilist.

Letzterer Status läßt an und für sich, nach dem Sozialversicherungsgesetz, nicht zu, daß ein Zivilist von der Heeressanität ärztlich versorgt wird — höchstens zum Zweck der Ersten Hilfe in Akutfällen.

Auch stehen einem Zivilisten Bekleidung, Unterkunft und Essen in einer Kaserne grundsätzlich nicht zu, auch nicht gegen Entgelt, weil ja die Kasernen keine Beherbergungsbetriebe sind.

Angesichts der ungeklärten Rechtslage rund um die „Heimkehr” Walter Reders nimmt es nicht wunder, daß alle anderen möglichen Betroffenen, sprich Ministerien, heilfroh sind, daß dieser Kelch an ihnen vorübergegangen ist.

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