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Gewalt statt Sprache

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Es könnte widersprüchlicher nicht sein: einerseits betonen Politiker und andere Erwachsene ständig, wie sehr sie ihre Hoffnung in die Jugend setzen, die angeblich alle Voraussetzungen dafür mitbringt, die Wiederholung vergangener Katastrophen - Krieg, Faschismus, Bassenhaß und so weiter — zu vermeiden. Tatsächlich ist da vieles, was Mut macht.

Anderseits beklagen dieselben Politiker und andere Erwachsene die zunehmende Tendenz zu Drogen und Gewalttätigkeit unter Jugendlichen und immer Jüngeren, und sie haben damit - glaubt man den Medien der letzten Monate, Wochen und Tage - ebenso recht.

Offensichtlich geht es dabei jeweils um andere Kinder und Jugendliche - von den vielen Unauffälligen abgesehen. Und trotz des offensichtlichen Unterschiedes gibt es grundsätzlich Gemeinsames: Die Hoffnungsträger(innen) wollen es anders machen als die Erwachsenen und finden aufgrund ihrer familiären Voraussetzung und ihrer Bildung einen Weg, ihren Protest konstruktiv zu artikulieren. Die große Zahl der Unauffälligen hingegen hat ihren Protest aufgegeben und resigniert wie die erwachsenen „Vorbilder”. Die Desorientierten, deren Verzweiflung Erwachsenen anscheinend verborgen bleibt, sehen für sich keine andere Lösung als die Flucht in Gewalt - gegen sich selbst (Drogen) oder gegen andere. Ihre Zahl nimmt zu. Das Spektrum der Jugendlichen spiegelt ihr Umfeld.

Mag sein, daß Fernsehen, Computerspiele und negative Vorbilder Gewalt bei Kindern und Jugendlichen fördern; in den allermeisten Fällen aber nur dann, wenn der Boden bereits „aufbereitet” ist. Auch in der Erwachsenenwelt werden Gespräche - privat und beruflich - immer mehr auf das jeweils angeblich Wesentliche reduziert, auch mit Jugendlichen.

Keine Zeit für Gespräche? Nur ein Teil der Wahrheit. In Zeiten der Verunsicherung - und es ist wohl kein Zweifel, daß wir in einer solchen Zeit leben - werden Ängste auch von Erwachsenen verdrängt, geleugnet, übertrieben oder kompensiert, werden Gespräche darüber vermieden.

Die Folge? Gewalt statt Sprache.

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