Die Beziehung des Burgschauspielers Raoul Aslan zu seinem um zwanzig Jahre jüngeren Kollegen Tonio Riedl war in Wien stadtbekannt Als Riedl während des letzten Weltkriegs auswärts weilte, im Engagement, als Soldat, entstand in viereinhalb Jahren ein Briefwechsel, der nun von Margarete Gruber in über fünfhundert Seiten vorgelegt wird. Sie spricht von einem Ineinan-derwachsen zweier Menschen, die füreinander geschaffen waren. Das bestätigt sich hier Seite für Seite. Liebe zwischen Mann und Mann kann ebenso tief greifen wie tiefste Liebe zwischen Mann und Frau. Nur gelegentlich stellt Riedl fest, er werde nicht fertig „gewisse Triebe, Leidenschaften und so weiter abzustreifen“. Und Aslan meint, den Trieb um des Triebs willen leben sei Sünde. Dann wieder: Der Trieb in Verbindung mit ihm, Tonio, sei „ordentlich“. Doch darüber gibt es in den vielen Briefen gerade nur ein paar Sätze. Vor allem geht die Ausrichtung immer wieder auf Gott, auf Vervollkommnung, bei
Aslan auf ein „Heiligkeits-Ziel“ hin. Er schreibt von „großer Übung fürs Gebet“ und mehrfach vom Empfang der heiligen Kommunion. Aslan ist für Riedl nachzueiferndes und bewundertes Vorbild. Mit ihm entdeckte er sein „besseres, höheres Ich“. Jedenfalls behandeln die Briefe ausschließlich Wesentliches, es geht beiden um Selbstfindung, Selbsterkenntnis, um den „inneren Weg“, sie berichten über Kunsterlebnisse, über den Ertrag ihrer Lektüre, über Erfahrungen als Schauspieler. Der in dieser Zeit tobende ungeheuerliche Krieg wirkt sich nur im persönlichen Bereich, vor allem im Rekrutendasein Riedls, aus. In der völligen Hingabe der beiden ah ihre Gefühle aber wirken diese Briefe wie Dokumente einer Zeit,\die mehr als nur ein paar Jahrzehnte zurückzuliegen scheint. Als sehr bedeutende Dokumente'.
RAOUL ASLAN, BEGEGNUNG IM LICHT, Briefwechsel mit Tonio Riedl. Herausgegeben von Margarete Gruber. Wilhelm Braumüller
Universitäts-Verlagsbuchhandlung Ges. m. b. H., Wien. S 450,-.
