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Ein fairer Wahlkampf droht

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Nun wird uns allenthalben ein fairer Wahlkampf für die Bundespräsidentenwahl versprochen. Was die Kandidaten anlangt, ist das durchaus glaubwürdig. Aber was werden die Parteisekretariate tun?

Jörg Haider hat ja schon den Ton angeschlagen, der hoffentlich nicht die Wahlkampfmelodie bestimmen wird. Ein Freimaurer und ein CVer stünden gegen eine Liberale, so wurde den hellhörigen Wählern bewährt sachlich mitgeteilt. Schon werden wieder Emotionen geweckt, schon wird wieder gegenübergestellt. Natürlich ohne etwas direkt zu sagen: Es genügt der Appell an Halbbildung, Ressentiment und dumpfes Vorurteil - und schon ist er da, der klar konturierte schwarz-weiße Scherenschnitt: Dunkelmänner gegen tolerante Lichtfrau.

Fairer Wahlkampf! Fairneß in Österreich, das heißt doch, den anderen möglichst hinterfotzig anpatzen. Unfair ist die direkte Attacke. Eine Bereicherung zeichnet sich bei diesem Wahlkampf aber ab: Die Tatsache, daß eine fesche Frau als Kandidatin dabei ist, regt jetzt schon zu erstaunlichen, lyrischen Vergleichen und zu Überlegungen über Eigenschaften an, die gemeinhin bei Wahlauseinandersetzungen unberücksichtigt bleiben. So entdeckten zum Beispiel die „Oberösterreichischen Nachrichten", daß Heide Schmidt „Augen wie Firnbonbons" habe und auch das Timbre ihrer Stimme reizt zu feinsinnigen Hinweisen.

Derzeit haben noch die Kandidaten das Wort, indes in den Parteisekretariaten die Archive durchforstet werden, um der Fairneß zum Durchbruch zu verhelfen. Die SPÖ will gewinnen, die ÖVP muß gewinnen und Jörg Haider wird auf jeden Fall gewinnen - mit oder ohne „Verhaiderung" von Heide Schmidt.

Wie friedlich die Stimmung derzeit noch ist, beweist eine Bekundung von sozialistischer Seite über den ÖVP-Kandidaten Thomas Klestil. Er mache einen „honorigen Eindruck", hieß es da; eine Charakterisierung aus der schiere Verzweiflung über einen Dokumentationsnotstand spricht.

Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm findet man den Vermerk, „honorig" sei ein „erst neu aufgekommenes Wort" und bedeute „anständig, ehrenhaft in seinen Beziehungen zu anderen". Im neuen Meyer hingegen, Band 31, wird „honorig" bereits wieder als „veraltend" eingestuft: „ehrenhaft und durch sein Wesen vertrauenswürdig, Respekt verdienend..."

Vielleicht ist der Alterungsprozeß des Begriffes „honorig" noch aufzuhalten. Wer immer es wird, der Bundespräsident sollte es sein: honorig.

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