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Ein Friedensforscher ist 65

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Im spärlich besetzten großen Hörsaal 47 der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien wetterte der damalige Neu-testamentler Johannes Kosnetter gegen den „Ungeist" der jungen Theologen, sich lieber im kleineren Hörsaal 48 bei Rudolf Weiler mit marxistischer Ethik denn bei ihm mit der „Vita Pauli" zu beschäftigen. Es war um 1970, als der 42jährige Sozialethiker Weiler den künftigen Geistlichen - mit Mädchen war „die Theologie" damals noch nicht so zahlreich gesegnet wie jetzt - aktuelle Probleme der Demokratie, Kapitalismus-und Marxismuskritik, die eben erst zum Begriff gewordene Ökologie und die Friedensfrage in einer Welt im Kalten Krieg sezierte.

Rudolf Weiler, am 12. März 65 geworden, der Politologe Heinrich Schneider, die verstorbenen Professoren Dordett (Kirchenrecht) und Gabriel (Philosophie) wurden - bei aller klärenden Kritik von „linker" Seite (beispielsweise von Wilfried Daim) - zu Aktivisten des weltanschaulichen Dialogs.

Im christlich-marxistischen Dialog wurde das Prinzip einer friedlichen Welt gefunden, auf dem Weg des Gesprächs das Ziel entdeckt: So wurde die von Weiler initiierte persönliche Begegnung von Wissenschaftlern und Kirchenleuten unterschiedlichster Provenienz zum Ansatzpunkt der Menschlichkeit, abseits von ideologischem Schulmeistern. Köstliche Erinnerung, wie „Väterchen Weiler" bei einem Kongreß mit sowjetischen Wissenschaftlern in Straßburg 1987 nach dem Versuch, die Menschenrechte auch in der Sowjetunion einzufordern (Gorbatschow experimentierte gerade mit der Perestrojka), am Abend gefühlvoll auf russisch das Lied vom schrecklichen Räuber „Stenka Rasin" anstimmte. Der menschlichen Begegnung tat auch keinen Abbruch, daß 1987 bei einem christlich-marxistischen Symposion in Klosterneuburg einem Teilnehmer aus der Sowjetunion, der eben zu einem Lobpreis des Friedens ansetzte, die Pistole aus dem Sakko fiel. Auch wenn Kollegen es nicht immer goutierten, hat er sich neuen Strömungen - beispielsweise der 68er Bewegung der „Neuen Linken", der Ökologie, den Medien, der marxistisch inspirierten Befreiungstheologie - als katholischer Sozialethiker nicht dogmatisch verschlossen. Wenn man in Österreich von Katholischer Soziallehre spricht, dann fällt einem neben Johannes Messnert und Johannes Schasching (und dem verfemten Johannes Kleinhappelt) sofort Rudolf Weiler ein - und das ist schon was!

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