Mit dem Staatspreis für Kinderbuch-Autoren und dem Kinderbuchpreis der Gemeinde Wien wurde in diesem Jahr ein Buch ausgezeichnet, das Ehrungen tatsächlich verdient: „Der Regenzauber“ von Hannelore Valencak. Es erfüllt alle Anforderungen, die an ein Kinderbuch gestellt werden können. Abenteuer und Alltag, Phantasie und Realität gehen so ineinander über, daß diese spannende Lektüre wohl kaum vor der letzten Seite beendet werden wird. Der Stü ist zugleich einfach und anspruchsvoll, vordergründig und voll Symbolik.
„Ein schwarzer brummender Käfer flog vorbei. Sie sah, daß er zweierlei Flügel hatte: sehr dünne, durchsichtige, die leicht verletzt werden konnten, und harte, glänzende wie aus Metall. Eine kleine Spinne hatte ihr Netz zwischen die Disteln und Gräser gebaut. Es war neu und heil wie ein frisch gesponnener Wunschtraum oder wie eine Hoffnung früh am Tag. Aber in Nanni war alles zerstört und hoffnungslos.“
Nirgends wird ein erhobener Zeige-
finger sichtbar, und doch - oder gerade deswegen - kann das Buch seine erzieherische Wirkung nicht verfehlen. Wie Nanni aus ihrer Angst in die Phantasie flüchtet, sich in einem Lügengespinst verfängt und schließlich aus ihrer Angst heraus zu sich selbst findet, einen Freund gewinnt und alles plötzlich seine Schrecken verliert: damit ist ein Weg gezeigt, der gerade in einer Zeit so wertvoll ist, in der die Existenzangst schon auf Kinder übergreift. Daß auch die „böse Josepha“ im letzten machtlos ist, wird vielen Kindern Trost geben. „Jeder hat ja seine Josepha“, argumentiert die Autorin.
Ist „Der Regenzauber“ ein religiöses Kinderbuch? Auch hier beschreitet die Autorin fast wieder Neuland: Religion und Kirche sind etwas Selbstverständliches, zum Leben Gehörendes, das einfach da ist, ohne daß man darüber viele Worte machen müßte.
„DER REGENZAUBER“ von Hannelore Valencak, Verlag Carl Ueberreu- ter, Wien 1976,144 Seiten, öS 89,-
