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Ein gefährliches Gfrett

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„War net Österreich, wann net durt, wo ka Gfrett is', ans wurdt. Denn das Gfrett ohne Grund gibt uns Kraft, halt uns gsund”. — Richtig: Bei Josef Weinheber, dem bekannten Autor dieser bekannten Zeilen, ist im Original nicht von Österreich die Rede, sondern von „Wien”, und doch darf mit einigem Recht angenommen werden, daß ein unsere Gegenwart erlebender und erleidender Weinheber diese (und andere) Strophe(n) mit ihrer hintergründigen und tiefsinnigen Charakterzeichnung wohl auf ganz Österreich bezogen wissen möchte.

Angesichts der allgemeinen Gfrett-Inflation in den letzten Jahren (siehe dazu nur den Bauring-, den AKH-, WBO- und den Rinterzeltskandal) im allgemeinen und angesichts des unappetitlichen Weinpanscherskandals im besonderen steht heute nicht nur die Frage nach der geografischen Reichweite der Gfrettwirkung, sondern auch jene nach der

„kraft- und gesundheitsfördernden” Konsequenz zur weltweiten Diskussion.

Aber nicht genug damit, korrespondiert dem äußeren Prestige-und Imageverlust Österreichs als „Qualitätsland” offensichtlich auch ein innergesellschaftlicher Vertrauensverlust, dessen Folgen für unser Land nicht unterschlagen werden können.

Im Klartext bedeutet diese eher pessimistische Legitimitätsprognose folgendes: Wenn der ohnehin zur pauschalen Gaunerverdächtigung neigende Österreicher über die enttarnten Wein verhunzer hinaus auch den Großteil des bäuerlichen Berufsstandes — wenn auch unberechtigterweise — mit miesen Praktiken in Zusammenhang bringt, dann steht es um die gemeinsame Bewältigung unserer gemeinsamen Zukunft nicht zum besten. Denn sowohl die Wiederentdeckung des ländlichen Milieus als Lebens- und Freizeitraum seitens der Städter, als auch die Um weit schutzproblematik sowie die Durchsetzung konkreter Stadt- und Dorferneuerungsprojekte bedürfen als umfassende Reformprojekte zu ihrer Verwirklichung des Verständnisses, der Achtung, des Kompromisses aller, bedürfen des Schulterschlusses zwischen „Stadt” und „Land”. Eine enge Zusammenarbeit ist aber nur dann möglich, wenn die moralische Qualität beider Partner außer Streit steht, wenn man einander in der Offenlegung seiner Interessen „reinen Wein” einschenkt.

In diesem Sinne steht mit der Wiederherstellung der Sauberkeit in der österreichischen Weinwirtschaft auch eine existentielle Bedingung gemeinsamer Zukunftsbewältigung auf dem Spiel. Diese Tiefendimension beim zuletzt angefallenen Gfrett zu übersehen, hieße auf eine Gefahr für unsere politische Kultur unangemessen zu reagieren.

Der Autor ist Politikwissenschafter in Wien.

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