7005354-1987_40_19.jpg
Digital In Arbeit

Ein großes Werk

Werbung
Werbung
Werbung

Nicht die Bedeutung, wohl aber die geistige Substanz dieses neuen Romans von Tschingis Ajtma-tow überrascht.

Nach dem Erscheinen des Romanwerks „Ein Tag länger als ein Leben“ war es ersichtlich, daß der russisch schreibende Kirgise Ajtmatow zu den bedeutendsten Epikern unserer Zeit gehört. Sein neuer Roman „Der Richtplatz“ zeigt den Erzähler auf der Höhe seiner Kunst und — darin liegt das Neue — als Vertreter eines in der russischen Romantradition bereits vorgeformten Spiritualismus.

Sein Romanheld Awdij Kalli-stratow will dem Beispiel Jesu folgen, das Böse bekämpfen, die Menschen zum Guten hinführen. Seine Gottessuche bringt ihn in Gegensatz zu manchen Lehrmeinungen der russisch-orthodoxen Kirche; er muß das Priesterseminar verlassen; auf eigene Faust will er nun Rauschgifthändler in der Sowjetunion entlarven und bekehren; er wird von den Banditen gekreuzigt. In Analogie zu diesem Geschehen vergegenwärtigt Ajtmatow eine imaginäre Diskussion zwischen Jesus und Pontius Pilatus. Auch auf anderen Handlungsebenen wird der Kampf zwischen Gut und Böse dargestellt.

Gerade in einer Zeit der Skepsis und der Zweifel ist das Erscheinen des großen Romans bedeutsam. Der Geist weht offenbar in der Tat wo er will: die Botschaft christlich-humaner Spiritualität wird nun in der Sowjetunion von einem kirgisischen Epiker formuliert.

DER RICHTPLATZ. Von Tschingis Ajtmatow. Unionsverlag, Zürich 1987. 468 Seiten, öS 296,40.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung