Eine Bar Mitzwa im Pilgerhaus

Werbung
Werbung
Werbung

Tabgha ist ein magischer Ort. Von der Terrasse überblickt man den See Genezareth, der in allen Blautönen glitzert. Am Ufer verfärben sich die Golanhöhen im Tagesverlauf orange bis purpurrot. Tabgha gilt als der Ort der wundersamen Brotvermehrung. Seit 1898 steht hier ein christliches Pilgerhaus, verwaltet vom Deutschen Verein vom Heiligen Lande. Vor der Pandemie war es Monate im Voraus ausgebucht. Zu 90 Prozent von christlichen Pilgergruppen aus Deutschland und Österreich.

Als Israel im März 2020 seine Grenzen schloss und in einen harten Lockdown ging, fiel Tabgha in einen Dornröschenschlaf. Als der Inlandstourismus wieder möglich wurde, sah Verwalter Georg Röwekamp die Chance, wenigstens einen Teil seines Teams vor der Arbeitslosigkeit zu retten. Er warb erstmals gezielt um israelische Gäste. Mit dem beiderseitigen Kulturschock, der folgte, schaffte es Tabgha in die Schlagzeilen. Die Israelis nahmen das Angebot gerne an, bisher unbekannte Plätze im eigenen Land zu entdecken. Allerdings erwarteten viele im Pilgerhaus den Rund-um-die Uhr-Service eines Fünf-Sterne-Luxusresorts. Während das Personal dort an Gruppenreisende gewöhnt war, die nach dem Frühstück in ihre Pilgerbusse steigen und erst zum Abendessen beseelt in die eher spartanische Unterkunft zurückkehren.

Beim Aufräumen der Zimmer wurden nun oft die kleinen Holzkreuze vermisst, die über den Betten hängen. Sie fanden sich in Schubladen oder der Minibar wieder. Offenbar hatten sich jüdische Gäste daran gestört. Langsam aber näherten sich neue Klientel und Pilgerhaus an. Es kamen nun die Besucherinnen und Besucher, die mehr über christliche Stätten und die Kultur erfahren wollten.

Umgekehrt feierten sie in Tabgha jetzt nicht nur Taufen, sondern ihre erste Bar Mitzwa. Die Schlagzeilen haben ein Happy End.

Die Autorin ist Korrespondentin der ARD im Nahen Osten.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung