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Eine gewissenhafte Protestantenzeitimg

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Vor wenigen Tagen ist in den Niederlanden eine Vorstudie des wissenschaftlichen Beirats für die Regierungspolitik veröffentlicht worden, die sich mit dem Spannungsfeld von internationaler Macht und interner Autonomie auseinandersetzt. Diese Studie ist insofern besonders anregend, als sich darin zahlreiche Thesen und Hypotheken mit dem gegenwärtigen Verhalten von Machtausübenden auf hohem Niveau vergleichen lassen.

Was erhofft der Ex-Premier Den Uyl sich von seiner Vortrags- und Gesprächsreise in 'den USA? Warum haben Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt vergessen, vor dem Bremer Eurogipfel einen Abgesandten nach Irland zu schicken, um die in Aussicht genommene Währungsstabilität zu erläutern? Wie kam Anke Jörgensen zur Umbildung der dänischen Regierung? Wohin führt der Einfluß der belgischen Gewerkschaften auf die Politik der Regierung Tindemans? Was veran-laßte James Callaghan zur Absage der erwarteten Neuwahlen?

Und was trieb Bruno Kreisky zu einem Interview mit einer der vier größten niederländischen Tageszeitungen? Hat der österreichische Bundeskanzler nicht bereits vor einigen Jahren schlechte Erfahrungen mit dem Auftreten eines Fernsehteams der linkslastigen Rundfunkgesellschaft „VPRO“ aus dem niederländischen Hilversum gemacht?

In der Amsterdamer Redaktion der als sehr gewissenhaft bekannten protestantischen Tageszeitung „Trouw“ rätselt man nach der Veröffentlichung des Kreisky-Interviews jedenfalls weiterhin über die tieferen Beweggründe, die das führende Mitglied der Sozialistischen Internationale zu seinen - gelinde gesagt - undiplomatischen Ausbrüchen gebracht haben. Die grobe Pauschalverurteilung der Juden und das verächtliche Wegfegen der Afrikaner vom Tisch der Weltgeschichte mit den Wortgebärden eines prähistorischen Kolonialisten könnte - so wird in den Niederlanden spekuliert - noch ein sehr bitteres Nachspiel auf lange Sicht bewirken.

In stundenlangen Gesprächen hat Kreisky dem „Trouw“-Redakteur James Dorsey genau erklärt, welche Passagen des Interviews nicht zur Veröffentlichung geeignet seien. Aus eigenem Verantwortungsbewußtsein hat Dorsey dann doch davon abgesehen, die beschämendsten Sätze wiederzugeben. Was „Trouw“ veröffentlichte, ist die Wahrheit. Und die Wahrheit soll man bekanntlich so aussprechen, daß sie aufbaut und nicht zerstört.

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