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EINE SCHULE NAMENS VIRGINIA

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„Nur für Frauen", so steht es zu lesen am Eingang zur Sechser-Stiege im Wiener Werkstätten- und Kulturzentrum. Die Sechser-Stiege, das ist der Frauentrakt. Unten arbeiten die Großen in der Tischlerwerkstatt, oben lernen die Kleinen, in der feministischen Mädchenschule „Virginia Woolf', europaweit der einzigen in ihrer Art. Galt lange Zeit die Koedukation als einzig zeitgemäße Form der Erziehung, so zeigt die feministische Forschung in der Zwischenzeit, daß die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Buben für erstere nicht unbedingt von Vorteil ist.

Dieselbe Erfahrung machte die Wienerin Margot Mähner auch mit alternativen Kindergruppen. Die Buben dürften dort sogar noch wilder sein als anderswo und die Mädchen seien dadurch noch mehr gestört. Fazit: der einzig gangbare Weg ist eine feminstische Mädchenschule. Und da es so etwas bis dato nicht gab, mußte sie eben ins Leben gerufen werden.

Seit Oktober vergangenen Jahres gibt es nun die Mädchenschule „Virginia Woolf, eine Schule, die sich wesentlich von „normalen" Schulen unterscheidet. Gemeinsamkeiten gibt es eher mit anderen Altemativschu-len, etwa die Tatsache, daß es keine fix eingeteilten Schulstunden gibt oder daß am Ende des Schuljahres Prüfungen in einer „Normalschule" abgelegt. werden müssen.

Die ausdrückliche Ausrichtung auf frauenzentrierte Inhalte ist allerdings ein Merkmal, das „Virginia Woolf auch von anderen Alternativschulen unterscheidet. Zum Beispiel im Bereich der Sprache. „Die Mädchen werden dort nicht als ,Schüler' angeredet", erklärt Margot Mähner, „sie sind dort nicht nur mitgedacht und mitgemeint, sondern sie haben ihren eigenen Raum." Raum, der nicht erst den Buben abgerungen werden muß, die normalerweise das Schulgeschehen dominieren.

Aber auch der vermittelte Wissensstoff ist hier anders als in anderen Schulen: Frauengeschichte wird da zum Beispiel behandelt (eine im normalen Geschichtsunterricht ziemlich vernachlässigte Disziplin). Oder es werden Frauen eingeladen, die aus anderen Ländern stammen, um vom (Frauen-)Leben in ihrer Heimat zu erzählen. Außerdem wird Selbstverteidigung gelehrt und überhaupt ein mädchenspezifisches Körpergefühl gefördert. Nur Frauen unter sich, besteht da nicht die Gefahr, daß das an der Wirklichkeit vorbeigeht?

Nein, sagt Margot Mähner: „Mit den Buben treffen sie ohnehin in der Sandkiste zusammen. Die Schule ist sicher nicht weltfremd und von Männern abgeschirmt."

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