Die Entdeckung der Nordwestpassage hat die Menschheit gut 400 Jahre lang beschäftigt und sich am Ende, als sie dann tatsächlich gelungen war, als absolut nutzlos, weil eben unpassierbar erwiesen. Kein Wunder, daß in diesem grandiosen Inbegriff der Vergeblichkeit auch ein die Phantasie der Schriftsteller anregendes Faszinosum liegt. Kenneth Roberts hat sich in einem prächtigen Abenteuerschinken damit beschäftigt, und Sten Nadolnys „Entdeckung der Langsamkeit" hat mittlerweile längst Kult- und Bestsellerstatus erreicht. Nun treibt der kanadische Autor Mordecai Richler die Legendenbildung um die Nordwestpassage noch weiter.
„Solomon Gursky war hier" erzählt die Geschichte der Whiskey-Dynastie Bronfman (lies: Seagram's), die auf einen skurrilen Urahnen zurückgeht, dem Richler mit ausgetüftelten literarischen Zaubertricks geradezu mythisches Format verleiht: Ephraim Gursky war - und das ist Richlers genialischer Einfall - der bisher unbekannte Teilnehmer (und der einzige Überlebende, versteht sich) jener Franklin-Expedition von 1851, die kläglich gescheitert ist.
Für die Gurskys jedoch ist dies Ausgangspunkt einer beispiellosen Kar-" riere zwischen Hure/ei, Kommerz und Korruption, Religion und Prohibition. Richler kann es sich leisten, diese jüdische Dynastie aus dem Blickwinkel schriller Komik zu erzählen, ohne daß dies auf Kosten seiner Figuren ginge. So ist ihm ein schlitzohrig fabulierender Abenteuer- und Schelmenroman über den Mythos vom amerikanischen Traum gelungen. Richlers Familiensaga j agt den Leser in atemlo sem Tempo quer durch die Zeiten und rund um den Globus. Diese Reise im Kopf bietet höchsten Lesespaß, denn die Gurskys sind Ganoven der Extraklasse. Am besten bei einem Glas Whiskey zu genießen, arktisch gekühlt.
SOLOMON GURSKY WAR HIER. Von Mordecai Richler. Aus dem Amerikanischen von Hartmut Zahn und Carina von Enzenberg. Carl Hanser Verlag, Münchenl992. 612 Seiten, öS 389,-.
