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Emanzipation, einmal anders

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Ich bin nicht immun gegen die Faszination, die von Gratiskatalo­gen jeglicher Art ausgeht. Beson­ders jene, in denen man vom auto­matischen Zwirneinfädler bis zum ferngesteuerten Rasenmäher alles, schön abgebildet und ausgepriesen, im Fauteuil sitzend bequem begut­achten kann, haben es mir angetan. Also ließ ich mir, per Postwurfsen­dung darauf angesprochen, eines dieser dicken Bilderbücher zuschic­ken. Vor ein paar Tagen war es soweit; umweltfreundlich in Pla­stik eingeschweißt, steckte das an­geforderte Miniaturschaufenster in meinem Postkasten. • Seit ich hierauf den beigelegten Brief gelesen habe, bin ich ein anderer. Ernsthaft habe ich zuerst mich und dann viele andere ge­fragt, ob die darin enthaltene Zumutung nicht zu ahnden ist. Ich wurde in dem Schreiben, das auf dem Briefkopf meinen vollen Namen samt dem dazugehörenden „Herrn" aufweist, in der Folge nur mehr als „liebe Kundin" und „sehr geehrte gnädige Frau" angespro­chen.

Den Gedanken, die geistreiche Kolumnistin einer Tageszeitung, deren Lieblingsthema der Kampf der Geschlechter ist, einzuschal­ten, habe ich im Keim erstickt. Wie anders als verstört soll der auf die mich mit dem Katalog samt Beilage beglückt hat, berief sich auf den briefschreibenden Computer, der nur mit „gnädigen Frauen" gefüt­tert worden ist, da es angeblich die Regel ist, daß selbst Herrenslips nicht von deren Trägern, sondern von den dazugehörenden Damen bestellt werden.

Meine Bekannten schließlich mahnen mich zur Toleranz. Große Geister, meinen sie, und ich sei doch einer, störe derlei nicht.

Zähneknirschend warne ich rae: -ne Umgebung. Zur Duldsamkeit gezwungen, habe ich mir an Hand der Katalogempfehlungen nämlich zwei Vorteilspakete Schokolade­osterhasen und eine heizbare Mond­phasen-Armbanduhr mit Musik bestellt. Mit dem Gewünschten bekomme ich laut Werbebrief schon nächste Woche als Treueprämie eine fast echte Perlenkette mitgeschickt.

Ich werde sie tragen. Und ich werde es erleben, wie tolerant mei­ne Ratgeber reagieren werden.

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