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Der rasende Reporter

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Er hieß nicht Egon Erwin Kisch, doch er raste nicht weniger überzeugend. Per Auto und per Eisenbahn. Per Schiff und per Flugzeug. Und auch per pedes.

Ein dutzendmal im Jahr um den Erdglobus herum war sein Durchschnitt. Er knipste und berichtete alles, was das Leserblut in Wallung brachte.

Seine Chefs waren sehr zufrieden mit dem Burschen. Er war brauchbar, denn er war zu jeder Sensation pünktlich zur Stelle.

Einmal auch zu einem Begräbnis. Eine große Menge starrte wie hypnotisiert in ein ausgehobenes Grab, in dessen unheimliche Tiefe an langen Seilen sich der Sarg langsam hinabsenkte.

Während eine Kapelle einen Trauermarsch blies, winkten weiße Taschentücher dem Verstorbenen letzte Grüße zu.

Seltsamerweise vergoß kein Mensch Tränen.

Seltsamerweise bemerkte man keine trauernden Hinterbliebenen. Nur offizielle Persönlichkeiten. Und natürlich eine ganze Schwadron neugieriger Weiber.

„Verzeihen Sie“, wandte der Reporter, als der Sarg in der Erde verschwunden war und er seine Aufnahmen beendet hatte, sich an die ihm nächststehende Persönlichkeit. „W e n eigentlich hat man hier begraben?1

„Wie? Das wissen Sie nicht? Einen berühmten Reporter!“

Dem Reporter stieg eine dunkle Ahnung auf.

Er fragte nach dem Namen.

Und hörte seinen eigenen.

„Nur so kann ich mir dieses Phänomen erklären“, teilte der rasende Reporter der staunenden Umwelt mit, „daß ich in meinem Uebereifer alles Zeitgefühl verlor und Ueberschallgeschwindigkeit erreichte ..

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