7212166-1992_35_03.jpg
Digital In Arbeit

Entsetzen in Rostock

Werbung
Werbung
Werbung

Die Ausschreitungen Rechtsradikaler in Rostock entsetzen nicht nur Deutsche. Der medialen Berichterstattung folgte ein Zustrom rechtsradikaler Jugendlicher aus Bremen, Berlin und Lübeck.

Unter dem klingenden Titel der Völkerfreundschaft wurden in der DDR aus Vertragsländern wie Angola, Vietnam und Kuba Menschen nicht nur zur Ausbildung ins Land geholt, sondern auch als billige Arbeitskräfte etwa in Großwäschereien eingesetzt. Diese „Türken der DDR", wie sie der Journalist Klaus-Peter Gerhard nennt, wohnen in eigenen Häusern in Neubaugebieten von Halle, Berlin und Rostock. Äußerlich glichen diese Wohnmaschinen den monotonen Unterkünften der Deutschen, doch nach innen waren sie gleichsam exterritoriales Gebiet mit Überwachungspersonal aus dem entsprechenden Heimatland. Gebraucht wurden die Ausländer zum Vorzeigen am 1. Mai als Beweis des internationalen Flairs der DDR.

Diese Menschen leben heute einer ungewissen Zukunft entgegen. Was mit ihnen weitergeschehen soll, weiß niemand, wenn sich auch Verantwortliche aus Politik und Kirche für den Weiterverbleib der Menschen aus den ehemaligen Vertragsländern ausgesprochen haben. Viele von ihnen sind arbeitslos, manche haben sich auf illegalen Zigarettenverkauf spezialisiert, arbeiten mit der Ostmafia zusammen.

Im Stadtteil Lichtenhagen von Rostock sind zu Menschen aus den ehemaligen Vertragsländern noch Asylanten gekommen. Sie leben inmitten einer einheimischen Bevölkerung, die mit der Umstellung von Plan- auf Marktwirtschaft völlig überfordert ist. Der Applaus der Bewohner für die Gewalt Rechtsradikaler ist als Spiegel einer unflexiblen Politik zu sehen, die solch fatale Existenzen zuläßt, wie sie für Deutsche und Fremde nicht erträglich sind.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung