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Erkenne dich selbst

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Naikan - das bedeutet % „sich selbst sehen". Die -L i japanische Version der Psychotherapie, in der westlichen Welt weitgehend unbekannt, verspricht Heilung durch Selbsterkenntnis. Vor mehr als 50 Jahren entwickelt, wird Naikan heute bei Häftlingen in über der Hälfte der japanischen Strafvollzugsanstalten angewendet - zur erfolgreichen Senkung der RückfalTkriminalität.

In Österreich wurde die Behandlungsmethode bisher bei Drogenabhängigen genutzt, so seit 1986 auf der Drogenstation „Erlenhof" bei Linz.

Die „innere Selbstbeobachtung" ist einfach und wenig kostenaufwendig, die Teilnahme prinzipiell freiwillig. Sieben Tage lang, und bis zu 16 Stunden täglich, werden die Teilnehmer dabei von der Außenwelt isoliert. Weder Radio und Fernsehen noch Telefon oder Ausgang — nichts darf ablenken. Einzige Kontaktperson ist der Therapeut. In dieser Atmosphäre der Ruhe wird über die Bezugspersonen des engsten Lebenskreises reflektiert: Mutter, Familie, Partner und Freunde, und über deren Beziehung während verschiedener Lebensabschnitte.

Die zentrale Frage dieser Reflexion ist - und das ist das neue bei Naikan -, welche Schwierigkeiten man diesen Personen gemacht hat. Also eine bewußte Umkehrung der alltäglichen Auseinandersetzung, die sich im allgemeinen damit befaßt, welche Probleme einem andere Leute bereiten. Das Erkennen der eigenen Verantwortung und Verständnis für andere führen dabei zur Änderung der persönlichen Einstellung und des Verhaltens. Gerade bei Straftätern verursacht ja oft ein übertrieben empfundener Mangel an Zuwendung Haßgefühle gegen die Umwelt. Die bereits jahrzehntelange Erfahrung in Japan spricht eine deutliche Sprache: Bei inzwischen weit mehr als 100.000 therapierten Häftlingen konnte die Rückfallquote von über 45 auf 21 Prozent gesenkt, also mehr als

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