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Erlebte Zeitgeschichte

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In der Lebensgeschichte Joseph T. Simons finden wir Zugang zu den turbulenten Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit. Dabei sollte der Leser den ersten Satz seiner Memoiren -„Nie war ich die Hauptperson einer historischen Begebenheit” - nicht allzu ernst nehmen: Tatsächlich spielte Simon etwa bei der Schaffung der Zweiten Republik im Hintergrund eine Schlüsselrolle, und zwar als Jurist im amerikanischen Hochkommissariat für Österreich.

Geformt wurde die Persönlichkeit Joseph T. Simons in seinem Wiener Elternhaus mit dem zusätzlichen Einfluß der dänischen Familie, die den damals Siebenjährigen im ärgsten Notjahr nach dem Ersten Weltkrieg im Rahmen einer Hilfsaktion aufnahm und bei der er ein zweites Heim fand.

Bereits als Gymnasiast spielte er eine führende Rolle in der sozialistischen Jugendbewegung. Abschluß des Jus-studiums und des Praktikums bei Gericht gestatteten ihm ein intensives Engagement in der damals illegalen sozialistischen Partei. Aus der darauffolgenden Haft wurde er unter der Bedingung entlassen, unverzüglich nach Dänemark auszuwandern.

Die Besetzung Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht zwang ihn zu einer abenteuerlichen Flucht in die USA. Er trat freiwillig in die US-Armee ein und kehrte als amerikanischer Offizier nach Dänemark zurück.

Aufgrund der Empfehlung des damaligen Vizekanzlers Adolf Schärf wurde Simon im Frühjahr 1946 zur „Rechtsabteiluog des amerikanischen Hochkommissärs für Österreich” nach Wien versetzt. Wie von Schärf beabsichtigt, wurde er zum Verbindungsmann zwischen den Amerikanern und der wiedererstandenen Republik.

In dieser Position leistete er unter anderem auch einen entscheidenden Beitrag zum Zustandekommen des sogenannten zweiten Kontrollabkommens.

Auf jeder Seite dieser infolge des frühzeitigen Todes des Autors leider unvollendeten Memoiren spiegelt sich die Lauterkeit Joseph T. Simons wider: ein leidenschaftlicher Sozialist, der sich durch eine ungewöhnliche Großzügigkeit im Urteil über seine Zeitgenossen auszeichnet (siehe zum Beispiel die liebevolle Charakterskizze Leopold Figls, Seite 9).

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