6864253-1977_48_11.jpg
Digital In Arbeit

Erstling

Werbung
Werbung
Werbung

In seinem allerersten Roman machte der damals noch sehr junge John Galsworthy so ziemlich alle Fehler, die ein sehr junger Schriftsteller, ungeachtet späterer Welterfolge, in seinem allerersten Roman nur machen kann. Die Handlung, soweit vorhanden, verschwimmt in geballten Wolken explosiver Gefühle und gerät dabei nicht selten auf tote Geleise; ausgiebige Naturschilderungen wirken wie aufgeklebt; die uneingeschränkte Bewunderung, die der jugendliche Autor seiner eigenen, unter dem Namen „Le- gard“ auftretenden Person zuteil werden läßt, entbehrt nicht der unfreiwilligen Komik, und man darf nicht an Lamartines romantisches Versepos denken, wenn man erfährt, daß die junge Dame, um die sich alles dreht, „Jocelyn“ heißt, aber...

Aber das alles zusammen ergibt eben, von der literarischen Kuriosität abgesehen, jenen unwiederholbaren Reiz des Unmittelbaren und Unkontrollierten, der sich für den Leser nur noch erhöht, schielt er im Verlauf einzelner ungelenk gestalteter Szenen auf die späteren Meisterwerke. Denn hier, im „Sündenfall“, findet er das Urbild der Irene Forsythe, deren exotische Schönheit so viel Unruhe verbreitet, findet er als Gegenspieler bereits einige jener Typen aus der guten viktorianischen Gesellschaft, deren genußvolle Darstellung mit einer posthum dem Autor unterschobenen Kritik eigentlich so gar nichts zu tun hat. Hätte Galsworthy sich nicht zeitlebens mit diesen gelassen einherwandelnden Vorurteilen, ihrer Eleganz, Oberflächlichkeit, unerschöpflichen Originalität und ihrem unterkühlten Witz herumschlagen müssen, er wäre nicht Galsworthy geworden. Seine Leidenschaft für die Frau des Vetters und die daraus entstandene Chronique scandaleuse, besungen, aber nicht bewältigt in ebendiesem Erstling „Sündenfall“, hätte da nicht genügt.

Und wen kümmern heute noch die Skandale jener Epoche? Der Verlag konnte das vom Autor einst zurückgezogene Jugendwerk getrost wieder hervorholen und, übersetzt, in der „Romantischen Reihe“ veröffentlichen.

„SÜNDENFALL“. Roman von John Galsworthy. Paul Zsolnay Verlag, Wien-Hamburg 1977, 240 Seiten,

öS 140,80.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung