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Auf Brückenpfeilern und U-Bahn

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Spontane Äußerungen zu aktuellen Themen, seit 1978 im „Wiener Graffiti-Archiv“ gesammelt, sind bis 19. November in der Kunsthalle Exnergasse in Wien zu sehen.

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Spontane Äußerungen zu aktuellen Themen, seit 1978 im „Wiener Graffiti-Archiv“ gesammelt, sind bis 19. November in der Kunsthalle Exnergasse in Wien zu sehen.

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Wer kennt sie nicht, die spontanen Äußerungen anonymer Menschen, die auf Hauswänden, Toiletten, Brückenpfeilern ihre Nachrichten hinterlas- sen? Es gibt kein Thema, das nicht behandelt wird: Sexualität, Liebe, Feminismus, Religion, Drogen, Krieg, Tod, Selbstmord, linke Slogans und im zunehmenden Maße Rechtsextremismus und Ausländer- raus-Parolen.

Norbert Siegl, graduierter Psychologe und Fotograf, beschäftigt sich seit über fünfzehn Jahren mit der spontanen Volkskunst, die manchen ein Ärgernis, anderen ein legitimes Zeichen des Ausdrucks in einer zunehmend anonymer werdenden Gesellschaft ist. In der Fotoausstellung der Kunsthalle Exnergasse wird ein Überblick geboten, der die unterschiedlichen Themen vor Augen führt. Da findet sich Poetisches „Wenn Du eine Träne in meinen Augen wärst, dann würde ich niemals weinen, denn ich hätte Angst Dich zu verlieren“ neben Politischem „Was tut das Volk? Es volkt nicht.“ oder „Wien darf nicht St. Pölten werden“.

Die Wände zwischen den einzelnen Exponaten werden von den Besuchern zu Äußerungen genutzt. So schrieben drei junge Frauen: „Bevor Du anfängst, Deine Feinde zu lieben, solltest Du lieber Deine Freunde besser behandeln.“ An einer Wand hat sich ein Liebespaar verewigt: In die gesprayte Umrißzeichnung eines Mannes steht hineingeschrieben: „I would die 4 U!“

Daß die Geburtsstätte der heutigen Ausformung der Graffiti in New York zu finden ist, wissen nicht nur Eingeweihte. Daß aber Wien anders ist als beispielsweise New York, belegt das Beispiel aus dem Jahr 1984. Damals gestattete man Jugendlichen, Waggons der Straßenbahnlinie „J“ zu verzieren. Nicht geplant sind allerdings die Graffiti auf den Silberpfeilen der U-Bahn.

Siegl selbst unterscheidet gewissenhaft zwischen „normalen Rowdyakten“ und „Schreibern“. Diese haben einen Ehrenkodex. Anfänger müssen zunächst bei einem Profi in die I .ehre gehen und wer besonders gut arbeitet, wird schließlich zum „King“.

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