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Der aktuelle Bertolt Brecht

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Bertolt Brecht und die heilige Johanna, das war eine lange Beziehungskiste zwischen einem Dramatiker und seiner Figur. Er hat sie nie ganz bezwungen. Auch „Die heilige Johanna der Schlachthöfe”, die wichtigste seiner drei Johannas, leidet unter Brüchen, Leerläufen, Gestelztheiten. Frank-Patrick Steckel scheint in seiner Inszenierung im Akademietheater streckenweise die Unvollkommenheiten auszustellen, dann wieder gelingen ihm eindrucksvolle Szenen. Durchgehende Stilmittel sind Kargheit und Typisierung.

Aber wann sonst gehört das gespielt, wenn nicht jetzt? Pierpont Mauler, König der Schlachthöfe, gibt und nimmt Arbeit, wie es ihm paßt. Das 1929/30 am Beginn der Weltwirtschaftskrise geschriebene Stück paßt in eine Zeit, die den Gewinn der Aktionäre über alles stellt.

Fast hätte man meinen können, Brechts Theater werde als ein angestaubtes vorgeführt, das den vom Regietheater geprägten Ansprüchen nicht mehr genügt. Aber das Thema trägt die Aufführung. Die kritische Botschaft setzt sich gegen szenische Schwächen durch. Therese Affolter ist konsequent die von unten Kommende, eine überzeugende, etwas verloren wirkende Figur, sie könnte eine frustrierte, aus der Karriere ausgestiegene Gewerkschaften'' sein. Markus Hering ist ein Mauler, dem man seine Millionen schwer glaubt, also ebenfalls aus dem Leben gegriffen. Auch die Heilsarmee, die „Schwarzen Strohhüte”, erwiesen sich angesichts des Massenselbstmords amerikanischer Sektenmitglieder, der am Premierenabend bekannt wurde, als starkes Stück nicht nur amerikanischer Wirklichkeit.

In der Beziehung zwischen Johanna und Mauler ist viel von dem, was bis vor kurzem als Debatte über Ethik und Wirtschaft lief. Inzwischen wurde die Ethik aus den Managements hinauskomplimentiert. Dies und viel anderes hätte sich in einer weniger puristischen Inszenierung noch besser herüberbringen lassen. Aber man sah einen Brecht, dem nicht, wie der „Dreigroschenoper” im großen Haus, die Zähne gezogen waren.

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