Mulatschag für Spekulanten

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Daniela Strigl über Lücken im Denkmalschutz.

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Daniela Strigl über Lücken im Denkmalschutz.

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Was tun, wenn Sie ein Haus verkaufen möchten oder gekauft haben, um es abreißen zu lassen, und das Denkmalamt interessiert sich plötzlich für sein historisches Innenleben und plant eine Begehung? Nun, Sie beseitigen raschest, was immer das behördliche Interesse geweckt haben mag.

So geschah’s beim Verkauf des Innsbrucker Grand Hotels Europa beim Bahnhof: Der 1888 erbaute neobarocke Festsaal mit seinen Wandgemälden, Spiegeln und prächtigen Stuckaturen wurde vor Weihnachten in einer Nacht­-und­-Nebel­-Aktion mit dem Vorschlaghammer demoliert, ob vom alten oder vom neuen Eigentümer, ist ungeklärt. Bayernkönig Ludwig II. nannte das Hotel aus dem Jahr 1869 den „schönsten Ort in Innsbruck zum Begehen festlicher Ereignisse“, seine Architekten gestalteten den Saal, in dem später etwa die Europäische Kommission tagte. Nun klagt das allzu lange säumige Denkmalamt, Innsbrucker Politiker aller Parteien rufen empört nach Konsequenzen: ein Fäusteballen im Hosensack, denn rechtlich ist dem befugten Vandalen nicht beizukommen. Mit einem „ungeschützten“ Haus können Sie machen, was Sie wollen – auch Mulatschag. Und selbst wenn ein Bauspekulant einen bestehenden Denkmalschutz missachtet, bezahlt er die Strafe aus der Portokassa. Weh täte nur ein Neubauverbot.

Eine rühmliche Ausnahme bahnt sich hingegen in Graz an: Das pittoreske „Girardihaus“ in St. Leonhard, in dem 1850 Alexander Girardi geboren wurde und das seit Jahren dem denkmalgeschützten Verfall preisgegeben war, ist angeblich „gerettet“. Der Grazer Bürgermeister, der just im Kulturhauptstadtjahr 2003 für den rechtswidrigen Abriss des spätbarocken Kommodhauses verantwortlich war und auch hier für die „Beseitigung“ eintrat, schwenkte in letzter Minute um: Geplant ist nun endlich ein Museum für „einen der begabtesten Menschendarsteller, die je auf einer Wiener Bühne gestanden sind“ (Karl Kraus).

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin.

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