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Naboths Weinberg 1997

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Daß die Mächtigen die Kleinen unterdrücken und ihnen ihren Willen aufzwingen, ist bereits biblisch belegt. Und auch ein biblischer König, ein gewisser Ahab, hat nicht gezögert, ein begehrtes Grundstück zu enteignen. Vor dem Königspalast hatte in Mann namens Naboth seinen Weinberg, durch dessen Anblick sich der König täglich provoziert fühlte, hätte er sich aus dem Grundstück doch gern einen Gemüsegarten gemacht. Aber der Privateigentümer weigert sich, seinen Weinberg herzugeben - auch nicht im Tausch gegen einen angeblich besseren Weinberg oder eine Geldablöse. Aber was einem brutalen und depressiven König nicht gelingt, schafft seine skrupellose Gemahlin. Mit einer geschickt inszenierten Intrige erreicht sie bei Stadtältesten und einer korrupten Justiz das Todesurteil für Naboth. Daß der König den Weinberg trotzdem nicht bekam, daran war die Intervention des Propheten Elia schuld.

Heutzutage geht es natürlich viel humaner zu. Ahab baut sich um Milliarden ein riesiges neues Nationalbankgebäude, obwohl er noch gar nicht weiß, ob er diesen Koloß nach

Einführung des Euro überhaupt brauchen wird. Dem Geldpalast gegenüber hat ein Mann sein Zahnärztebedarfsgeschäft, das durch die bereits vierjährige Bauzeit 50 Prozent Umsatzeinbuße erlitten hat. Aber zum Unterschied vom biblischen Ahab hat der moderne „Ahab” keine Probleme.

Heutige Propheten und Kirchen interessiert die Angst des Adolf T. um sein Geschäft nicht einmal gar nicht. Und die zuständigen Wiener Behörden sind zwar von keiner Königin erpreßt worden, sorgen aber dafür, daß Ahab 97 tun und lassen kann, was er will. Was blieb dem Besitzer von „Interdental” anderes übrig, als allein in den Kampf mit den Palasteigentümern zu ziehen? Ein Vorgehen, daß von den Anrainern, die trotz einer jahrelangen Lärmhölle längst resigniert haben, mit Sympathie gesehen wird.

Zugegeben - Herr Naboth 97 braucht nicht um sein Leben zu bangen, das einzige was ihm passieren kann, ist nur der Ruin seiner materiellen Existenz. Aber die ohnmächtige Wut hat natürlich nichts mit der Politikverdrossenheit in Österreich zu tun.

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