Opernball

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Daniel Wisser über eine pseudokulturelle Lächerlichkeit, die sich als Staatsakt ausgibt.

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Daniel Wisser über eine pseudokulturelle Lächerlichkeit, die sich als Staatsakt ausgibt.

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Was für Katastrophen uns auch zerrütten, es gibt Fixpunkte in unserem Leben, die sich auch in Krisenzeiten jähren. Sie machen vergessen, dass es etwas zu vergessen gibt. Dazu gehört auch der Opernball. Das erste Mal fand er am 26. Jänner 1935 statt, in einer Zeit, in der es wie heute galt, die missliche Lage des Landes durch Pomp, Kitsch und die Beschwörung einer angeblich einmal gloriosen Monarchie zu übertünchen.

Auch dieses Jahr ist es nicht zu verhindern, dass die wirklichen Nachrichten, die von rasanten Teuerungen, Krieg, wachsender Armut und dem schleichenden Untergang der Demokratie in Westeuropa handeln, vom Opernball verdrängt werden. Laut Wikipedia ist er „der größte Treffpunkt Österreichs für Kulturschaffende, Unternehmende und Menschen in der Politik aus dem In- und Ausland“. Was für eine Kultur muss das sein? Ich sehe leider eine andere Kultur. Eine Kultur, in der Theater und Kinos um ihr Überleben kämpfen, Verlage unter Preisdruck und Papierknappheit stöhnen, Medien von der Politik vereinnahmt werden oder angeblich von der Regierung unabhängige Medien (wie der ORF) von dieser einen Sparkurs aufgezwungen bekommen oder eingestellt werden (wie die Wiener Zeitung).

Wer hat da Lust, dem rituellen Übertünchen der Realität auch nur aus Spaß medial zu folgen? Demonstrationen gegen den Opernball, wie in den Achtziger- und Neunzigerjahren, gibt es nicht mehr. Aber keine Angst! Die Kultur wird sich ihren Weg auch durch die schlimmsten Krisen und Kriege bahnen; das hat die Geschichte gezeigt. Was an österreichischer Kunst groß ist, hat sich immer trotz der politischen Lage und trotz der Bedrohung, der sie ausgesetzt war, entwickelt. So wird auch dieser Opernball als das vorbeigehen, was er ist: eine pseudokulturelle Lächerlichkeit, die sich als Staatsakt ausgibt.

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