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Religion in den USA

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Der „amerikanische Glaube" hat natürUch auch seine Heiligen. Eine der bekanntesten traditionellen Heihgenge-stalten ist der Tellerwäscher, der es zum Millionär gebracht hat -und zwar durch harte Arbeit, Disziplin und Sparsamkeit. Die religiöse Aura so eines „Self-made-Millionärs" ist fast so stark wie die eines Helden der Pionierzeit. Literatur und Film kennen viele Helden, die Europa als armer Bub verlassen haben, und eines Tages als „Reicher Onkel aus Amerika" wiedergekommen sind - amerikanische Heiligenlegenden.

Der zum Millionär gewordene Extellerwäscher ist - genau besehen - ein populärer Repräsentant des calvinistischen Erwählungs-glaubens. Denn Amerikas Puritaner sind überzeugt davon, daß Erfolg im Beruf, in der Wirtschaft, wenn noch dazu mit fast asketischer Sparsamkeit erreicht, als Zeichen der Liebe und des Wohlwollens Gottes gedeutet werden kann. Nicht zufällig steht auf den Dollarnoten „In God we trust". Nicht zuletzt diese Art Frömmigkeit hat Amerika vermutlich zur Weltmacht gemacht. Aber sie hat auch Tücken: sie führt dazu, daß der Erfolgreiche als gottbegnadet gilt, der Erfolglose und deshalb Arme allzu leicht als unmoralisch und gottlos angesehen wird. I A as Bibelwort „Denn wer I I hat, dem wird gegeben, daß I ^ er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch das genommen, was er hat" wird makabrerweise gern von der vulgär-calvinistischen Erfolgsgeneration zitiert - also von Leuten, die bei „Haben" primär an materielle Güter denken. Das erklärt auch, warum Mißerfolge in Wirtschaft und Pohtik für die Amerikaner oft auch eine religiöse Katastrophe heraufbeschwören und eine Sinnkrise auslösen. Nur wer die Religion der Amerikaner kennt, kann ihre Politik verstehen.

Das Programm von Bundeskanzler Vranitzky, der gerade die USA bereist, ist reich an religiösen Akzenten: Vom Coca-Cola-Museum („Das Evangelium der Erfrischung") über Jimmy Carter bis zur Witwe des ermordeten Pfarrers und Bürgerrechtskämpfers Martin-Luther King. Sollte der heimgekehrte Vranitzky ein stärkeres Feeling für die latent-religiösen Hintergründe der österreichischen Politik entwickeln?

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